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Pontifex gefragt

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Welche Chancen bietet der Papstbesuch? Kann und will Johannes Paul II. den Riß, der seit über einem Jahr in Österreichs Kirche sichtbar ist, kitten?

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Welche Chancen bietet der Papstbesuch? Kann und will Johannes Paul II. den Riß, der seit über einem Jahr in Österreichs Kirche sichtbar ist, kitten?

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„Der Papst kommt. Daran werde auch ich nichts ändern können. Jetzt heißt es, aus der Situation das Beste zu machen. Nur nicht hingehen, ist zu wenig. Es muß mehr passieren.“

So schrieb ein Student der Linzer Katholisch-Theologischen

Hochschule, unverhohlen zu kritischen „Begleitveranstaltungen“ zum Papstbesuch aufrufend, in der März-Nummer der Studen-tenpostille „Locomotive“. Der Student betonte, er „mißachte“ das Papstamt, die Unfehlbarkeit des Papstes, die göttliche Legitimation seiner Herrschaft...

Bischof Maximilian Aichern und das Hochschulkollegium di-

stanzierten sich scharf von dem Artikel. Doch studentische Kritik am Papstbesuch regt sich nicht nur in Linz. In Klagenfurt sah sich Bischof Egon Kapellari veranlaßt, eine „in polemischem Ton“ gehaltene Presseaussendung des dortigen Hochschülerschaftsvorsitzenden Heimo Schwarz zurückzuweisen, da sie vier Behauptungen enthielt, die nach Ansicht des Bischofs „nicht den Tatsachen entsprechen“.

Und in Salzburg ergab eine Umfrage unter 11.800 Jugendlichen zwischen 14 und 22 Jahren (von denen immerhin 8.970 den Fragebogen ausfüllten), daß nur 26 Prozent Aussagen des Papstes für wichtig halten und nur 23 Prozent in der Kirche eine Hilfe sehen. Dabei glauben 88 Prozent der Jugendlichen an Gott, und 80 Prozent gaben an, daß ihnen Gebet etwas bedeutet. Aber mit dem Papst und der Kirche werden weniger die den Jugendlichen „sympathischen“ Begriffe wie Friede, Entwicklungshüfe oder Caritas verbunden als vielmehr die Themen Sexualmoral und — Reisekosten.

Was kostet's? Was bringt's? Wer für Papstreisen Kosten-Nutzen-Rechnungen anstellen will, ist vermutlich mehr ein Kind unserer materiellen Zeit als von Mutter Kirche. Sicher, man könnte jeden Schilling auch gegen Hunger und Not verwenden — aber tun das auch die Kritiker in ihrem Privatbereich? Die Österreich-Papstvisite kostet 34 Millionen Schilling, 5,40 Schilling pro Katholik — ein Lottotip ist teurer ...

Was die Tage vom 23 bis zum 27. Juni bringen werden, kann niemand vorhersagen. Prälat Johannes Neuhardt, der Organisator des Besuchs, hat klargestellt: Ein Fest ist nicht machbar, es entzieht sich der „Macher-Ideologie“. Und Hunderttausende hoffen auf ein solches Fest voll Stimmung, Freude und Geschwisterlichkeit, das sich letztlich in den Herzen der einzelnen Menschen abspielt und dort seine Spuren hinterläßt.

Freilich ist es kein Geheimnis,

daß gerade Kircheninsider vor dem Papstbesuch nicht nur von Hoffnung, sondern auch von Skepsis erfüllt sind. Kann und will der Papst als echter Pontifex (Brückenbauer) den Riß in Österreichs Kirche überbrücken? Lastet nicht der Schatten bevorstehender Bischofsernennungen („Lauter Krenns?“ fragte jüngst das „profü“) über diesem Papstbesuch?

Die Chancen, die dieser Besuch weit über Osterreich hinaus eröffnet, werden noch zu wenig erkannt. Da ist zum Beispiel die Chance für den Papst, zur 1000-Jahr-Feier der Christianisierung Rußlands ein Signal nach dem Osten zu setzen. Da kommen (je nach Leistungsfähigkeit des in Ungarn und Ostösterreich auftreibbaren Autobus-Fuhrparks) 60.000 bis 100.000 Ungarn nach Trausdorf, da fahren wohl auch Zehntausende Jugoslawen nach Gurk. Wer kann abschätzen, mit welchem Impetus sie wieder nach Hause fahren werden?

Ausländische Medien interessieren besonders der Papst in Mauthausen und seine Begegnung mit Vertretern des Judentums, zwei Chancen, Österreichs Image in der westlichen Welt zu verbessern. In der Salzburger Christuskirche besucht der Papst die Evangelischen — eine neue Chance für die Ökumene.

Schließlich werden auch Hunderttausende Österreicher in diesen Tagen gemeinsam und mit dem Papst beten.

Wichtig wird — wie auch der Geistliche Assistent der Katholischen Aktion Österreichs, Heinrich Schnuderl, immer wieder betont - die Nacharbeit sein.

Die Katholiken dürfen das Tor nach Osteuropa nicht mehr zufallen lassen, sie müssen der Begegnung mit dem Judentum und der Ökumene einen festen Platz einräumen, und sie müssen einen offenen innerkirchlichen Dialog führen, ohne Vorurteile, am Evangelium orientiert, dem anderen zubilligend, auch sein „a zum Glauben! Ja zum Leben!“ ehrlich zu meinen (und nicht nur Inquisitor, Denunziant, Ketzer oder Marxist zu sein).

Viel in dieser Phase der Nacharbeit wird freilich davon abhängen, ob in dieser Zeit Bischöfe ernannt werden, die als Integrationsfiguren und nicht als polarisierend empfunden werden.

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