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Die Anzeichen mehren sich, daß die Entscheidung über das politische Schicksal von Premierminister Pierre Trudeau am 30. Oktober zu einem Gutteil von der Wahlstrategie zweier Deutschkanadier abhängen wird: von Claude Wagner — Führer der Konservativen in Quebec, der größten Provinz des zweitgrößten Landes der Erde — und von Otto Lang — Kanadas Justizminister und Pierre Trudeaus prominentestem Gefolgsmann im goldenen Westen.

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Die Anzeichen mehren sich, daß die Entscheidung über das politische Schicksal von Premierminister Pierre Trudeau am 30. Oktober zu einem Gutteil von der Wahlstrategie zweier Deutschkanadier abhängen wird: von Claude Wagner — Führer der Konservativen in Quebec, der größten Provinz des zweitgrößten Landes der Erde — und von Otto Lang — Kanadas Justizminister und Pierre Trudeaus prominentestem Gefolgsmann im goldenen Westen.

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Justizminister Otto Lang, der den Wahlkreis Saskatoon-Humboldt in der „Weizenprovinz“ Saskatchewan repräsentiert, ist der Sohn eines deutschen Lehrers, der in Kanada Schuldirektor wurde. Bereits als Neunundzwanzigjähriger — vor elf Jahren — war er Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Saskatchewan. Als Repräsentant der „Weizenprovinz“ im Kabinett Trudeau hat sich Justizminister Lang auch die Leitung des staatlichen Weizenamtes (Canadian Wheat Board) vorbehalten und seine politische Stärke ruht auf den Rekordverkäufen, die in diesem Jahre auf 825 Millionen Scheffel kletterten. Anderseits siegte Otto Lang bei den Wahlen von 1968, die im Zeichen der „Trudeaumania“ standen, mit einer Mehrheit von bloß 766 Stimmen — doch seither hat er bedeutend an Statur gewonnen. Zweifellos ist der Justizminister „Trudeaus bester Mann“ im goldenen Westen, doch sein sozialistischer Opponent wirft ein, er könne nicht verstehen, wie Lang sich rühmen könne, Rekordmengen von Weizen zu verkaufen, wenn deren Kosten höher als der Verkaufspreis seien. Der Umstand, daß die liberale Regierung den Weizenfarmern im Jahre 57 Millionen Dollar an Subsidien auszahlte, erklärt dies.

Claude Wagner, der neue Führer der Konservativen in der Belle Province de Quebec, ist eine der interessantesten Persönlichkeiten in Kanadas politischer Arena. Der Sohn eines aus Deutschland eingewanderten Kapellmeisters, den das Aufkommen des Tonfilmes um seinen Verdienst gebracht hatte, war Justizminister der von Premier Jean Le-sage geführten liberalen Regierung Quebecs. Als Lesage der Politik Adieu sagte, bewarb sich Claude Wagner um die Position des Führers der Liberalen Partei in Quebec. Obwohl Meinungsumfragen ergaben, daß er persönlich weit populärer als sein Widersacher Robert Bourassa war, siegte dieser.

Nach seiner Niederlage bei dem Liberalen Parteitag zog sich Claude Wagner von der Politik zurück und nahm das Amt eines Session Judge (Richters) an. Doch so groß blieb Claude Wagners persönliche Popularität, daß nicht weniger als drei Parteien — die Konservativen, die Creditistes und die Regionalpartei Union Nationale — bemüht waren, ihn als Parteiführer zu gewinnen. Schließlich trat Claude Wagner als Richter zurück und wurde Führer der Konservativen in Quebec. Vorher schon hatte Montreals Le Devoir, die politisch einflußreichste Zeitung Quebecs, behauptet: „Es ist ein Phänomen.“

Bei den Wahlen von 1968 gewannen Trudeaus Liberale in Quebec 56 Mandate, die Konservativen 4 und die Creditistes 14. Mit Claude Wagner als „Wahllokomotive“ mag den Konservativen in Quebec ein entscheidender Durchtoruch gelingen, der Trudeau um seine parlamentarische Mehrheit bringen könnte. Schon haben die von neuer Hoffnung erfüllten Konservativen den Slogan von der Equipe du Quebec Stanfield-Wagner (dem „Stanfleld-Wagner-Quebec-Team“) geprägt. Der 30. Oktober kann zum Schicksalstag für Premierminister Pierre Trudeau oder für seinen konservativen Gegenspieler Robert Stanfield werden; doch wie immer auch die Entscheidung ausfällt, das Wahlresultat mag zu einem Gutteil von der Popularität Otto Längs und Claude Wagners, der' Söhne deutscher Einwanderer, abhängen.

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