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Digital In Arbeit

Porzellanhund auf Plexiglas

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Als leidenschaftlichen Maler bezeichnet sich Lois Renner, der Träger des Otto Mauer-Preises 1992. Den „megagroßen deutschen Bildern" in der Art vieler Kollegen und Professoren hat er aus „politischen Gründen" eine Absage erteilt und für sich einen neuen Weg gefunden.

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Als leidenschaftlichen Maler bezeichnet sich Lois Renner, der Träger des Otto Mauer-Preises 1992. Den „megagroßen deutschen Bildern" in der Art vieler Kollegen und Professoren hat er aus „politischen Gründen" eine Absage erteilt und für sich einen neuen Weg gefunden.

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Renner verfertigt ein 100:1 Modell seines Ateliers (die Originalleiter sieht wie für eine Puppenstube aus) und stellt in diesen verkleinerten Atelierraum wahlweise einen Totenkopf, Porzellanhunde, menschliche Hände, eine Malerwalze mit Lammfell, Gemälde oder Plastiken befreundeter Künstler. Durch diese Gegenstände wird der gewohnte Atelierblick schärf kontrastiert, infragegestellt.

In einem Agfa-Spezialverfahren werden die Fotos dieser „manipulierten" Ateliermodelle auf Plexiglas im Format 150 mal 190 übertragen. Von jedem Modell gibt es nur ein solches Bild. Wie für ein Kind, das mit seinen Puppen spielt und dem das Puppenspiel wirklicher ist als die Menschen ringsum, ist auch für Lois Renner„der echte Raum viel unwirklicher als der im Modell gestaltete". Für ihn selbst drehe sich beim Betrachten seiner Bilder etwas um, sie hätten für ihn mehr Wahrheit als die reale Situation.

Dies auch deswegen weil die Modelle nicht wie Architekturmodelle mit dem Lineal gefertigt, sondern mit den Augen und Händen des Künstlers entstanden seien. Siegfried Anzingers Hunde-Statuette (im preisgekrönten Werk „Testbild mit Schäfer-hund")oder Erwin Bohatsch' Riesenformate an der Wand des Ateliermodells erscheinen auch diesen Künstlern selbst völlig neu und anders.

„Politisch" ist für Renner dabei, daß er die verantwortliche Entscheidung für eine bestimmte Darstellung übernimmt.

„Ich bin die CNN-Generation, die den Golfkrieg nur über die Reproduktion, also vermittelt erlebt hat, 95 von 100 Kunstwerken, die für meine Entwicklung wichtig waren, kenne ich auch nur über eine Reproduktion in Büchern oder Zeitschriften. Auch meine Arbeiten kennt man nur über Reproduktionen."

Und der Umgang mit dem Material, mit den Farben? Und deren Wirkung für den Betrachter? „Andere Künstler arbeiten mit Materialien, mit meinen Bildern mache ich auf das Material in den Werken der Kollegen aufmerksam, stoße darauf, richtig und genau hinzuschauen." Zu seinen Themen und Motiven komme er eher zufällig, trotz gutgemeinter Empfehlungen würde er sie nie wiederholen. Er bevorzuge Gegenstände mit „Händchen", also einfache Dinge wie ein Blatt Papier, ein Stück Holz, die beim Fotografieren durch die Materialumkehr wirken. Aus den in den Bildern wiedergegebenen Atelierszenen könne man auch kleine Geschichten ablesen.

„Alles was ich hier mache, ist nur dann gut, wenn ich es auch als Kind hätte verstehen können. Es ist gut festzustellen, daß man auf die Kindheit zurückgreifen kann, um etwas sehr Wichtiges von etwas Unwichtigem zu unterscheiden, Kinder können das." Wirtschaftlichkeit, Familie, Heimatbegriff würden in der Malerei nie thematisiert, er versuche kindlich und amateurhaft zu übertreiben. Seine von Lehrer-Gurus wie Joseph Beuys weit entfernte Generation könne wieder - in seinem Fall durch den Filter der Modelle - an diese großen Lehrer anknüpfen.

Renner ist 1961 in Salzburg geboren, hat dort an der Hochschule Mozarteum sein Studium begonnen und erhielt 1985 ein Stipendium an die Rheinische Kunstakademie Düsseldorf. Unvorbereitet durch Elternhaus und die Salzburger Szene erlebte er dort eine Art „Kulturschock" und erblindete durch eine Nervenerkrankung auf einem Auge. In Düsseldorf mußte er sich drei Monate hindurch wöchentlich mit mehreren Bildern um die Aufnahme in eine Klasse bewerben, bis er schließlich von Gerhard Richter, einem ehemaligen DDR-Künstler aufgenommen wurde. Ähnlich wie Richter, der im Westen ebenfalls den „Kulturschock" erlebt hatte, verbinde er das „Wissen um rotkarierte Vorhänge" mit der Kenntnis der Malerie „nach Beuys". Der Weg nach Düsseldorf sei eine Art Führung gewesen.

„Ich war nie eine freier Mensch, der einfach drauflos gemalt hat, da war immer unglaubliches Kalkül dahinter. Ich habe ein rotes und ein grünes Lämpchen im Kopf, nach denen ich mich richten kann. Ich habe immer hoch gespielt und bin immer aufs Ganze gegangen mit mir selbst".

Seit wann kann Renner auch von seinen Werken leben? Von den Eltern hätte es keine Unterstützung gegeben. Bis vor zwei Jahren habe er drei Tage in der Woche auch handwerklich gearbeitet, Fachkenntnisse als Maurer habe er von den Ferialtätig-keit im väterlichen Bauunternehmen gehabt.

Zu seinen kostspieligen Fotos sei er durch seine Mitarbeit als Dekorationsmaler in einem Fotostudio gekommen, mittlerweile seien er und der Fotograf Partner.

An den Kosten der Umsetzung seiner nur im Foto-Negativ existierenden Bilder auf Plexiglas können Ausstellungen in Galerien scheitern, wenn nicht genügend Geld vorhanden ist. „Ich und meine Kollegen bei Gerhard Richter waren gewohnt jahrelang zu arbeiten ohne Werke zu zeigen. Auch während meiner Zeit in den USA, in denen ich viel gelernt habe, habe ich dort nicht ausgestellt, ich war noch nicht so weit. Ein Vorteil meiner Arbeiten ist auch, daß ich sie ungestört von neugierigen Atelierbesuchern machen kann."

Was ist Renners Bezug zu dem Künstler-Priester Otto Mauer, den er nicht mehr gekannt hat? Seine Mutter sei eine strenggläubige Katholikin, ihn selbst interessiere die Glaubensfrage und er habe sich immer gewundert, wieso er selbst als Bub lieber auf dem Fußballplatz als in der Kirche gewesen sei. „Heute merke ich, daß ich ein hochgläubiger Mensch bin. Der Motor für meine Arbeit ist der Glaube. Mein Fleiß ist nur daraus zu erklären, manchmal fühle ich mich fast als Missionar."

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