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Positive Elemente mit Schwachstellen

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Die Diskussion um die Reform des Abtreibungsparagraphen brachte wenigstens ein fruchtbares Ergebnis: staatliche Förderung für Familien- und Lebensberatungsstellen.

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Die Diskussion um die Reform des Abtreibungsparagraphen brachte wenigstens ein fruchtbares Ergebnis: staatliche Förderung für Familien- und Lebensberatungsstellen.

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Als die Streitwogen überzuschwappen drohten, als Befürworter und Gegner der ersatzlosen Streichung des Abtreibungsparagraphen aus dem Strafrecht sich scheinbar unversöhnlich gegenüberstanden, da waren die Streitpartner eigentlich nur in einer Frage einig: mehr und bessere Beratung in Fragen der Familienplanung, ja ganz allgemein in Familien- und Partnerschaftsproblemen tut not.

Nicht zuletzt auch auf Drängen von Katholiken in der SPO rund

Von TINO TELLER um Herbert Salcher wurde dann die Abtreibung nur insoweit libe-ralisiert, als zuvor ein verpflichtendes Beratungsgespräch stattgefunden hat.

In einem solchen Gespräch sollte ausreichend auf'die Motivation für den Wunsch nach Schwangerschaftsunterbrechung eingegangen und eine mögliche Alternative besprochen werden.

Um die Errichtung von Beratungsstellen in jenen Spitälern, die Abtreibungen durchführen, sicherzustellen, beschloß der Nationalrat 1974 ein „Bundesgesetz zur Förderung von Sozial-, Familien- und Lebensberatungsstellen” (BGBL 31/74).

Das Förderungsgesetz wurde von der Regierung als wesentlicher Teil der „flankierenden Maßnahmen” bezeichnet, die die hohen Abtreibungszahlen senken helfen sollten.

Acht Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes aber klagt Grit Ebner, Generalsekretärin der .Aktion Leben”, daß „vor allem die den Wiener Spitälern und Kliniken angeschlossenen Beratungsstellen fast ausschließlich als Vermittler von Abtreibungsterminen oder auch Adressen fungieren44.

Von einer ausführlichen Beratung der Frauen sei, so Ebner weiter, schon deshalb keine Rede, da der Andrang überaus groß ist, und für eine nähere Beschäftigung mit dem sozialen Umfeld der Abtreibungswilligen oft nicht mehr als fünf Minuten bleiben.

Margaretha Kamper, im Familien-Staatssekretariat zuständig für die geförderten Beratungsstellen, ist sich dieser Schwachstelle des Gesetzes durchaus bewußt. Nur: „Die Frauen kommen im Regelfall mit dem fast unumstößlichen Wunsch nach einer Abtreibung in die Spitäler und empfinden leider die Pflicht zur Beratung als eher lästige Verpflichtung44 (Kamper).

Man sollte aber, meint Kamper, wegen der ganzen Abtreibungsproblematik nicht die überaus positive Entwicklung der anderen geförderten Beratungsstellen vergessen.

Nach dem Gesetz werden nämlich alle Beratungsstellen gefördert, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

# Anwesenheit eines diplomierten Sozialarbeiters und eines Arztes, der befugt ist, Rezepte auszustellen und auch Verhütungsmittel zu verschreiben, als Mindestpersonal;

• Beratungszeit von mindestens vier Stunden in zwei Wochen (darunter müssen Abendsprechstunden sein), um auch Berufstätigen den Besuch der Stelle zu ermöglichen;

• Beratung darf nur in der Stelle selbst unter Wahrung der Anonymität der Ratsuchenden erfolgen;

• die Beratung muß kostenlos sein.

Erfüllt eine Beratungsstelle diese Voraussetzungen, dann refundiert das Ministerium sämtliche Personalkosten und Honorare. Darüber hinaus bietet das Staatssekretariat jährliche Weiterbildungsveranstaltungen für das Beratungspersonal kostenlos an.

1981 betrugder Gesamtaufwand für Honorare und Weiterbildung rund 25 Millionen Schilling. Die Zahl der geförderten Stellen ist seit 1974 von rund 50 auf über 170 gestiegen.

Etwa vierzig Prozent der Beratungsstellen haben Landesregierungen und Gemeinden eingerichtet. Den Löwenanteil aber stellen private Organisationen oder Vereine, und in erster Linie solche der katholischen Kirche.

Zur Zeit existieren 61 katholische Familien- und Lebensberatungsstellen in ganz Österreich. Dazu kommen fünf Ausbildungszentren für katholische Ehe- und Familienberater, die seit 1971 als staatlich anerkannte Privatschulen in dreijähriger Ausbildung für Diplom-Familienberater-Nachwuchs sorgen.

Die Berater der katholischen Stellen zählen zu den bestqualifizierten in Österreich, wie der Koordinator und Leiter des über-diözesanen Leitungsgremiums, Helmar Kögl, stolz vermeldet.

Kögl führt die Führungsposition der katholischen Kirche nicht zuletzt auf den Umstand zurück, daß das Katholische Familienwerk schon Mitte der sechziger Jahre darangegangen ist, die Beratertätigkeit zu professionalisie-ren. Als dann 1974 die staatliche Förderung einsetzte, kamen gerade die ersten Diplom-Familienberater von den Fachschulen.

Die Berater sollen die Ratsuchenden zur Selbstlösung von Problemen befähigen und an die Eigenverantwortlichkeit des Menschen appellieren. Nicht „tanhaft”, sondern als Partner treten die Berater ihren Klienten gegenüber.

Neben der personellen „Grundausstattung44 von Familienberater und Arzt bieten die katholischen wie die meisten anderen Stellen auch noch Psychologen, Rechtsanwälte sowie Aussprachemöglichkeit, mit einem Priester an. Und dieses seelsorgliche Zusatzangebot, so Helmar Kögl, sei aber zumeist schon der einzige Unterschied zu nicht-katholischen Beratungsstellen.

(Uber die Beratungstätigkeit im einzelnen und Uber private Vereine als Träger unkonventioneller Beratungsstellen lesen Sie mehr in einer der nächsten Folgen der FURCHE.)

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