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Postliberalisierung nur mit Vorbehalten

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Private Firmen drängen mit neuen Technologien auf den europäischen Markt. Die Telekommunikation soll laut Schätzung ihren Anteil von drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt im EG-Bereich auf bis zu sieben Prozent im Jahre 2000 anheben. Der Ruf der Industrie nach Öffnung des Fernmeldemarktes wird lauter. Aber die österreichische Post will kein großes Risiko eingehen.

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Private Firmen drängen mit neuen Technologien auf den europäischen Markt. Die Telekommunikation soll laut Schätzung ihren Anteil von drei Prozent am Bruttoinlandsprodukt im EG-Bereich auf bis zu sieben Prozent im Jahre 2000 anheben. Der Ruf der Industrie nach Öffnung des Fernmeldemarktes wird lauter. Aber die österreichische Post will kein großes Risiko eingehen.

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„Der vorliegende Entwurf beabsichtigt die Fortsetzung der seit 1847 ungebrochenen Tradition obrigkeitsstaatlicher Regelung des Post- und Telegraphenwesen”, faßt Hans Zeger von der „Arge Daten” die Kritik am Entwurf zur Fernmeldegesetznovelle 1993 zusammen. Ins gleiche Horn stößt die Bundeswirtschaftskammer: Statt des von ihr geforderten Prinzips „erlaubt ist alles, was nicht verboten ist”, bleibe die Post beim Prinzip, daß alles genehmigungspflichtig ist, was nicht ausdrücklich erlaubt ist.

„Die Neukonzeption des Fernmelderechtes soll insbesonder den neuen Technologien und neuen Diensten, vor allem aber auch dem geänderten Verständnis und einer neuen Einstellung des einzelnen und der Gesellschaft zur Telekommunikation Rechnung tragen” nennen die Erläuterungen als Ziel der Gesetzesänderung. Der Entwurf sei EG-konform, wird behauptet.

Die EG hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Neuordnung der Telekommunikation befaßt und folgende Prinzipien formuliert:

□ Der Zugang zu den Fernmeldeeinrichtungen soll für alle zu gleichen Bedingungen möglich siein.

□ Privatfirmen sollen Fernmeldenetze errichten können. Nur in Grunddiensten wie beim Sprechtelefon soll ein Postmonopol möglich sein.

□ Behördliche und betriebliche Aufgaben der Post sollen getrennt werden. Die Post als Anbieter von Fernmeldenetzen und Diensten soll in fairen Wettbewerb mit privaten Anbietern treten.

□ Die Zulassung von Endgeräten (Te-lefönapparaten, Faxgeräten ...) soll vereinheitlicht werden; ein in einem EG-Land zugelassenes Gerät soll in der gesamte EG ohne weiteres Zulassungsverfahren verkauft und vertrieben werden können.

Noch graue Theorie. Und die österreichische Post will nicht ohne Schwimmreifen ins kalte Wasser springen, da sie alle, bis zum hintersten Bergbauern, zu gleichen Bedingungen versorgen muß und sich nicht nur die ertragreichen Gebiete aussuchen kann..

Was bleibt vom Postmonopol?

Seit 1. Jänner 1993 ist nun die Sektion IV des Verkehrsministerium als Aufsichtsbehörde über die Sektion III (Post) im Aufbau. Fernmeldebüros sollen eingerichtet werden, die für die Zulassung von Endgeräten, Fernmeldenetzen und Fernmeldediensten und für die Aufsicht über deren Betrieb zuständig sein soll.

Abgesehen davon, daß die Fernmeldeämter wohl vor allem aus Umschichtungen aus der Post ihr Personal beziehen werden, wird die „vollständige funktionelle und organisatorische Trennung des behördlichen Bereiches vom Bereich des Dienstleistungsunternehmens” schon im Entwurf unterlaufen, denn der Antrag auf „Bewilligung zur Errichtung einer Fernmeldeanlage” kann abgelehnt werden, „wenn durch die Errichtung und den Betrieb der Fernmeldeanlage wirtschaftliche Interessen des Betreibers des öffentlichen Fernmeldenetzes wesentlich beeinträchtigt werden oder dem Verkehrsbedürfnis mit der nötigen Sicherheit und Schnelligkeit durch bereits bestehende Fernmeldeanlagen entsprochen werden kann.”

Obwohl nur Telefondienst, Telegrammdienst und Telexdienst als reservierte Dienste dem Postmonopol bleiben, könnte jede „gefährliche” private Konkurrenz untersagt werden.

Zulassungfreie Netze bleiben nur auf Privatgrundstücken errichtete Netze, soferne die Grundstücke zusammenhängen. Eine Großfirma wollte einmal eine Außenstelle, die nur durch ein Privatgrundstück vom Hauptsitz getrennt war, über ein Kabel durch die Tiefgarage des Nachbargrundstük-kes an das Haustelefonnetz anschließen, mußte es aber über das öffentliche Netz machen. Hier bleibt weiterhin die Abhängigkeit von einer Zulassung, auf die es keinen Rechtsanspruch gibt. Und was passiert mit einem Firmennetz, wenn ein Teil des Grundstückes verkauft wird?Weiters dürfen solche privaten Netze, deren größtes in Österreich das der Bahn ist, nicht zur entgeltlichen Benutzung (beispielsweise) an Frachtkunden, die ihre Frachtpapiere über das ÖBB-Netz übermitteln, weitervermietet werden.

Die Bundeskammer schätzt, daß weltweit maximal fünf große Tele-kommunikatioflskonzerne übrigbleiben, die dank moderner Technik zumindest in Spezialbereichen die klassische nationale Fernmeldehoheit ad absurdum führen werden. Beispielsweise plant die Firma Motorola ein weltweites Satellitentelefonnetz mit 77 Satelliten. Österreich solle sich daher als attraktiver Partner entwickeln, argumentiert die Wirtschaftskammer.

Auch bei den Endgeräten ist der Entwurf mit der Liberalisierung noch zaghaft, da nach wie vor alle Geräte, auch wenn sie sich nur durch die Typenbezeichnung und das Gehäuse unterscheiden, einem eigenen Zulassungsverfahren unterzogen werden müssen. Allerdings sollen in Zukunft auch Gutachten privater Prüfstellen vorgelegt werden können.

Postfuchs am „runden Tisch”

Daß in der Praxis nicht so rigoros vorgegangen werde, wie es der Gesetzentwurf erlauben würde, versichert Postjurist Hanns Kratzer. Werden internationale Standards für Geräte beschlossen, so würden diese per Verordnung auch in Österreich gültig, und Geräte, die diesen Standards entsprechend schon einmal zugelassen wurden, könnten auch in Österreich frei verkauft werden.

Die EG-Vereinbarkeit des Fernmeldegesetzes wurde in einem wesentlichen Punkt übergangen: die EG-Richtlinie über Datenschutz in ISDN-Netze (mit Breitbandübertragung) fand keine Beachtung.

Der Entwurf zum Fernmeldegesetz, der noch von der Post (Sektion III) und nicht vom Fernmeldeamt (Sektion IV) gemacht wurde, stieß durchwegs auf geharnischte Kritik, da vieles dem Ermessensspielraum dem den Interessen der Post verpflichteten Fernmeldeamt verbliebe. Eine Enquete Anfang oder Mitte März soll alle namhaften Kritiker mit den Postfüchsen an einen Tisch bringen und die Probleme gemeinsam aufarbeiten. ,

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