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Postmoderne Lichtspiele

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Hat das von der „Medienkas-sandra“ Neil Postman ausgerufene „Zeitalter des totalen Amüsements“ bereits begonnen? Leben wir schon von den Aufgüssen, den Bildwelten zweiter Wahl? Auch wenn man versucht, aufkommenden Kulturpessimismus tapfer zu verdrängen, deutet im Gesamtangebot der diesjährigen Biennale am Lido vieles darauf hin.

Die Bilder werden „flacher“. Man sieht kaum mehr „große“ Einstellungen mit Tiefenwirkung. Es gibt viele „Zweierfilme“ (immer sind zwei Personen im Bild gerade genug, den Bildschirm zu füllen). Perfektion ist gefragt, glatt, schön, glänzend, unverbindlich — zum Konsumieren und zum Vergessen.

Es gab kaum eine Handvoll Filme, die einem länger als bis zum nächsten Tag beschäftigen. Zwei der wenigen Ausnahmen seien hier vorgestellt — auch deswegen, weil angesichts der österreichischen Kinokultur kaum zu erwarten ist, daß sie bald im offiziellen Programm aufscheinen.

Auf großen Festivals fällt auf, daß in den Ländern der „Dritten Welt“ der Film als Transportmittel für politische und humane Botschaften noch eine bedeutende Funktion haben kann. So „Camp Tharoye“ von Ousmane Sembene und Therny Fato Sow:

November 1944. Senegalische Soldaten, die für Frankreich im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, werden in ihre Heimat zurückgebracht und bis zu ihrer endgültigen Entlassung in einem Lager festgehalten. Sie haben die europäische Niederlage und die Demütigung ihrer französischen Kolonialherren erlebt, als Kriegsgefangene in nationalsozialistischen Konzentrationslagern gelitten und für die Wiedereroberung Frankreichs ihr'Leben riskiert. Hier, auf ihrem eigenen Boden wird sowohl ihnen als auch den französischen Offizieren das Ende der Macht auf der einen und der Anfang einer neuen Freiheit (von der man noch nicht weiß, was sie bringen wird) auf der anderen Seite langsam bewußt.

Die Gegensätze werden schärfer. Als sich die Soldaten weigern, ihren Sold in einem ungünstigeren Wechselkurs zu empfangen, machen die Franzosen zuerst falsche Versprechungen und metzeln anschließend nachts unter Panzereinsatz alle Insassen des Lagers nieder. Diese — authentische — Geschichte wird zwar rasant und spannend (fast „europäisch“) erzählt, verliert aber nie ihr Anliegen aus den Augen: Das Lager als Brennpunkt für das Aufeinanderprallen zweier Kulturen. .Dies wird in vielen kleinen Geschichten, Charakterisierungen, Bildern ohne penetrante Uberzeichnung deutlichgemacht. Für Afrikaner ein wichtiger Film, für uns Europäer ein notwendiger.

Der einzige Film in Venedig, den ich ohne große Skrupel ein Kunstwerk nennen darf, kommt aus Griechenland und stammt von Meisterregisseur Theo Angelopoulos.

„Landschaft im Nebel“ erzählt von zwei Kindern und einer Reise. Alexandros (5) und Voula (12) reißen immer wieder aus, um einen Zug nach „Germania“ zu erwischen. Dort wollen sie ihren Vater suchen. Den gibt es aber gar nicht; die Mutter hat ihn nur erfunden, um die Kinder zu beruhigen. Nun irren sie durch das graue, winterliche Griechenland, erleben Leid, Schmerz, Gewalt, Zuneigung — und reifen daran. Es ist eine „Lebensreise“, die sie für uns, die Zuschauer, stellvertretend angetreten haben. Am Ende überschreiten sie die Grenze und stehen im Nebel, aus dem ganz langsam und „zaghaft“ ein kleiner Baum auftaucht. Die Kinder gehen auf ihn zu und umarmen ihn fest.

Das Schönste an diesem Film ist die Selbstverständlichkeit, mit der Erzählung und Bedeutung im Bild verbunden sind. Ich habe in den letzten Jahren kaum einen so berührenden Film gesehen.

Es bleibt zu hoffen, daß es auch in den nächsten Jahren immer wieder Menschen geben wird, die mit ihren Filmen nicht nur verdienen, unterhalten und Programmleisten füllen, sondern uns auch etwas mitteilen wollen: Geschichten erzählen - für uns, über uns.

Der Autor ist Medienpädagoge an der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz und war Jury-Mitglied der Internationalen Katholischen Filmkonimission in Venedig.

Kultur-Offensive in Richtung EG

Europareife auch in der Bildung, in der Forschung und im Kulturschaffen sehen die Europakommission der ÖVP und Kultursprecher Erhard Busek als wichtigste politische Aufgabe der nächsten Jahre an. Neben einer besseren Fremdsprachenausbildung in der Schule, einer Straffung und Internationalisierung der universitären Studien werden erhöhte Mittel für Forschung und Entwicklung notwendig sein. Der größere Markt wird auch für Österreichs Musiker, Schriftsteller, Architekten, bildende Künstler und so weiter mehr Arbeitsmöglichkeiten, aber auch verstärkte Konkurrenz mit sich bringen. Schon die Weltausstellung 1995 sollte als Gelegenheit wahrgenommen werden, Österreichs kulturelles Erbe, aber auch seine lebendige Gegenwartskultur darzustellen. Auch bei der Weltausstellung 1992 in Sevilla müßte Osterreich entsprechend präsent sein, meint die ÖVP-Kommission. ^ ^

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