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„Poverello“ in Krems

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Die Reihe der Niederösterreichischen Landesausstellungen wird im Jahr 1982 mit einer umfassenden Schau zum Thema „800 Jahre Franz von Assisi — franziskanische Kunst und Kultur im Mittelalter“ in der ehemaligen Minoritenkirche in Krems/ Stein fortgesetzt. Wie aus dem Titel der Ausstellung ersichtlich ist, gibt die achthundertste Wiederkehr des Geburtstages des hl. Franz den Anlaß, sich auf internationaler Ebene in Bild und Wort, im optisch faßbaren Erlebnis einer Ausstellung und in erläuternden Aufsätzen im Katalog mit dem Poverello von Assisi auseinanderzusetzen.

Allerdings soll es in der Ausstellung nicht darum gehen, einfach verschiedene Abbildungen des Heiligen oder Szenen aus der Franziskuslegende zu zeigen, sondern vielmehr herauszuarbeiten, wie enorm der Einfluß jenes „Poverello“, der Einfluß der franziskanischen Spiritualität und Weltbetrachtung auf die damalige Zeit und die ihr nachfolgenden Jahrhunderte gewesen ist.

Die Beziehung des Heiligen zu den Armen und seine Auseinan-

dersetzung mit der Armut basiert auf der Überlegung, Armut freiwillig auf sich zu nehmen, wie sie Franziskus, der Sohn aus reichem Hause, gesucht hat. Erst die Kenntnis beider Milieus und Lebensumstände ermöglicht das echte Verständnis für die Not und die Bedürfnisse der - unfreiwillig — Armen. Freilich, gerade die aufstrebende „neue italienische Kultur“, die natürlich von Oberschichten getragen und von Reichtum und Luxus nicht zu trennen war, hat dann wesentlich zur Durchsetzung der franziskanischen Denkwelt in der Kunst beigetragen, wobei auch die Anerkennung der Arbeit als Wert ihren Niederschlag gefunden hat.

Franziskus’ Anliegen, dem Traditionellen eine „alternative Lebensform“ gegenüberzustellen, ist dabei gegen die Strömungen seiner Zeit gerichtet, aber einem inneren Bedürfnis nicht weniger Zeitgenossen entsprechend gewesen. Die Absage an die materiellen Güter ist für ihn nicht dauerhaft mit einem „simplen“ Leben verbunden gewesen: Franziskus und seine Mitbrüder haben das Fundament gelegt für den Einfluß der Franziskaner auf Wissenschaft, Musik und Literatur; Berthold Schwarz, der Erfinder des Schießpulvers, war franziskanischer Ordensmann, der erste Kommentar zu Dantes „Göttlicher Komödie“ stammt von einem Franziskaner. x

Die Franziskaner waren es auch, die besonders die ärmeren Schichten und die Handwerker vor Wucher und hohen Zinsen zu schützen suchten und eigene Leih- und Geldanstalten ins Leben riefen, Kapital ohne Zinsen zur Verfügung stellten.

Der Orden wußte um die Sorgen und Nöte aller Bevölkerungä- schichten, und den großen Predigern des 15. Jahrhunderts gelang es immer wieder, gegen den Luxus anzukämpfen, wobei es im Anschluß an die Predigten zu spektakulären Verbrennungen von Luxusgütern kam. Im Sinne des Franz von Assisi haben zahlreiche Ordensmitglieder in der Mission gewirkt, und die Päpste bedienten sich im 13. Jahrhundert bei ihren Verhandlungen mit den Mongolen grundsätzlich der Franziskaner, die die ersten Be

richte über China nach Europa brachten.

Um all dies verständlich zu machen, werden rund um Franziskus die bedeutendsten frühen Ordensheiligen wie Antonius von Padua, der Biograph Bonaventura, Ludwig von Toulouse, Elisabeth von Thüringen, Bernhar- din von Siena und Johannes Ka- pistran dargestellt In Hauptwerken mittelalterlicher Kunst soll ihr Wirken dem Beschauer faßbar gemacht und nähergebracht werden. Gerade in der Darstellung der hl. Elisabeth wird etwa eines der Hauptanliegen des Ordens, die soziale und medizinische Betreuung der Bevölkerung, besonders deutlich.

Die Summe aller franziskanischer Religiosität und Spiritualität und ihr Niederschlag in der bildenden Kunst soll einen Höhepunkt der Ausstellung bilden. Das vermenschlichte Christusbild von der Geburt bis zum Tod, vom Christkind bis zum Schmerzensmann wird ebenso gezeigt wie alle jene Marienbilder, die nur aus der franziskanischen Andacht zu verstehen sind.

Neben all diesen Beispielen hat auch die Liebe des Heiligen zur Natur, sein völlig neues Naturverständnis, seinen direkten Niederschlag in der bildenden Kunst gefunden. Zwar geht die Einbettung christologischer Szenen in eine Landschaft zum Teil formal

auf Byzanz zurück, von ausschlaggebendem Einfluß aber war doch wohl der hl. Franz, der im Jahre 1223 im Wald von Greccio im Rietital das Weihnachtsgeschehen wiederholte und zwischen den wildzerklüfteten einsamen Felsen von l’Averna selbst die Wundzeichen des Herrn erhielt

Im Wald von Greccio, im Rieti- Tal, ließ der Heilige eine Krippe aufstellen, Heu hinbringen und Ochs und Esel dazu. Das Neue bei Franziskus war der Gedanke, den armseligen Stall mit den Tieren und mit der landschaftlichen Umgebung real vorzuführen. Die Krippe des Armen von Assisi war völlig realistisch. Indem er die landschaftliche Umgebung einbezog, eilte er den bildlichen Darstellungen der Geburt Christi, überhaupt der ganzen Kunstentwicklung, voraus.

Mehr als 50 in- und ausländische Fachgelehrte werden sich im Katalog der Ausstellung nicht nur mit den Biographien der großen franziskanischen Heiligen, sondern auch mit sehr vielen und sehr wesentlichen Detailfragen auseinandersetzen.

Als Leihgaben werden Tafelbilder, Fresken, Graphiken, Skulpturen sowie Handschriften und Gegenstände der kunstgewerblichen Disziplinen aus dem Vatikan, aus dem Museo Francescano in Rom, der Pinakothek und der Domopera in Siena, dem Kunsthistorischen Museum und der Nationalbibliothek in Wien, dem National Museum in Warschau und Krakau, der Stroß- mayer-Galerie in Zagreb, dem Kunstgewerbemuseum Berlin, Wallraf-Richartz-Museum Köln, Musėe l’Etat Luxemburg, Musee Cluny Paris, Sammlung Bührle Zürich, Museum der Schönen Künste, Budapest, Christliches Museum Esztergom, und vielen anderen mehr, darunter auch dem Metropolitan Museum New York zu sehen sein. Daneben werden bisher völlig unzugängliche und unbekannte Schätze mittelalterlicher Kunst aus franziskanischen Klöstern gezeigt.

Die Autorin ist Mitarbeiterin des Museums für Angewandte Kunst und wissenschaftliche Leiterin der Ausstellung

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