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Digital In Arbeit

PRÄMIEN FÜR POLITIKER

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Der Politiker neuen Zuschnitts ist Manager. Ist das eine positive Entwicklung für die Politik? Politiker wechseln oft in Vorstandsetagen. Ist das gut für die Wirtschaft?

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Der Politiker neuen Zuschnitts ist Manager. Ist das eine positive Entwicklung für die Politik? Politiker wechseln oft in Vorstandsetagen. Ist das gut für die Wirtschaft?

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Bei der Untersuchung dieser Frage ist zunächst mit einer Fehleinschätzung und sodann mit einem Vorurteil aufzuräumen.

Die Fehleinschätzung besteht in der irrigen Annahme, daß das politische „Handwerk" quasi nach betriebswirtschaftlichen Kriterien organisiert, gesteuert und vor allem durchgeführt werden muß. Die Fehleinschätzung wird genährt durch erfolgreiche Beispiele von im Wirtschaftsleben Erfolgreichen als politische Quereinsteiger (Vranitzky, Zernatto, Leitl). Tatsächlich handelt es sich dabei bestenfalls um eine anstrebbare Utopie, weil Wirtschaft und Politik im Prinzip zwei unterschiedliche Konzepte zugrundeliegen. Das primäre Denken und Handeln eines Managers oder Unternehmers ist auf in Zahlen gefaßte Ergebnisse gedrillt. In anderen Worten: Einer geldmäßig bewertbaren Leistung steht eine ebensolche Gegenleistung gegenüber. In der Politik dominiert die ideelle Konzeption, die zudem nicht notwendigerweise eine eindimensionale Austauschleistung verlangt. Dies bedeutet, daß die Politik um einen Gradient vielschichtiger ist als die Wirtschaft. Dies bedeutet weiters keineswegs, daß nicht Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Wirtschaftsleben in die politische Arbeit, vor allem die Tagesarbeit transponierbar wären.

Im Gegenteil, wirtschaftliche Prozesse, quasi als Teilmenge des politischen Tuns betrachtet, können und sollen stärker in die Politik Eingang finden. So wird die im wirtschaftlichen Management praktizierte Festlegung individueller (Jahres-)Ziele, deren Erreichung im Rahmen eines genau festgelegten variablen Gehaltsbestandteiles honoriert wird, wie sie für einen Politiker erstmalig im Zuge meiner Vertragsvereinbarung angewandt wurde, in ihrem Grundsatz zu einer Philosophie der Wiener ÖVP werden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß auch im Management von Non-Profit-Organisationen, und dazu zählen letztlich Parteien, sehr wohl quantifizierbare, überprüfbare Ziele festgelegt werden können.

Das Vorurteil schließlich, welches es auszuräumen gilt, ist jenes, wonach Politiker eigentlich,.nichts Rechtes" gelernt haben und daher im Falle ihres freiwilligen oder unfreiwilligen Ausscheidens als „schwer vermittelbar" gelten.

Was wären Politiker als Quer-, Seiten-, Rück- oder sonstige Einsteiger in die Wirtschaft für diese zu leisten imstande? Der hier mit Recht verwendete Konjunktiv wird zumindest im Nachbarland Deutschland bald zum Indikativ werden, betrachtet man beispielsweise die Bestellung des früheren Kabinettchefs von Bundeskanzler Kohl, Horst Teltschik, zum Vorstandsmitglied der BMW AG mit dem Ressort „Wirtschaft und Politik".

Eine verkürzte Sicht der Dinge wäre es jedenfalls, Politiker als Angestellte eines Unternehmens nur in der Rolle des Lobbyisten zu sehen. Die oft erwähnten Beispiele dieses Genres, Fritz König (Unilever) und Kurt Heindl (Maculan), werden zwar nichts tun, was den Interessen ihres Arbeitgebers schadet, im Falle Fritz Königs ist aber durch Jahrzehnte erwiesen, daß er sich politisch um mehr als um die Lebensmittelindustrie gekümmert hat.

Ein erfolgreicher Politiker, der in eine Wirtschaftsführungsfunktion wechselt, kann im wesentlichen drei Dinge anbieten: Eine soziale Kompetenz und Fertigkeit, die sich insbesondere nach innen, das heißt an die Mitarbeiter richtet, und die in Zeiten verflachender Hierarchien und einer zunehmenden Selbständigkeit der Mitarbeiter verbunden mit dem Bedürfnis nach Sinnerfüllung und Selbstverwirklichung in der beruflichen Tätigkeit täglich eine Kurssteigerung erfährt. In den letzten sieben Jahren, in denen ich unmittelbar mit Führungskräften und Unternehmern zu tun hatte, konnte ich immer wieder die Beobachtung machen, daß Führungskräfte, die in ihrer Jugend in einer Jugendorganisation aktiv gewesen waren, gruppendynamisch wesentlich besser reüssierten und bei der Durchsetzung ihrer Meinungen und Ziele ungleich erfolgreicher agierten als ihre Kollegen, welche eine streng hierarchisch monetäre Konditionierung nach dem simplen „do, ut des -Strickmuster" erfahren haben. Dabei macht es keinen Unterschied, ob diese Jugenderfahrung in einer politischen Organisation, in einer kirchlichen, einer karitativen, oder einfach bei den Pfadfindern stattgefunden hat. Entscheidend ist der Umstand, daß der Betreffende irgendwann einmal lernen mußte, seine Meinung aufgrund seines besseren Argumentes und seines geschickteren sozialen Verhaltens durchzusetzen (gleiches gilt natürlich auch für weibliche Führungskräfte).

Das zweite, wozu Politiker imstande sind, und unsere deutschen Nachbarn beginnen uns gerade dies vorzuexerzieren - der bereits erwähnte Teltschik bei BMW, der ehemalige hessische Wirtschaftsminister Steger (SPD) im VW-Vorstand, die jetzige Treuhandchefin und frühere niedersächsische Finanzministerin Birgit Breuel (CDU) oder der Finanzminister unter Helmut Schmidt, Manfred Lahnstein im Vorstand von Bertelsmann -, ist die Fähigkeit zur Sensibilisierung großer Unternehmen für das Faktum, daß diese Unternehmen zumindest regional, meist jedoch überregional ein gesellschaftspolitischer Faktor sind, was neben den Einflußmöglichkeiten auch Verantwortung nach sich zieht.

Es gibt natürlich politische Naturtalente unter den Managern wie Kuen-heim (BMW) und Reuter (Daimler Benz) in Deutschland oder Sekyra in Österreich - der im übrigen als Student Pressesprecher des Rings Freiheitlicher Studenten war -, die sich der politischen Dimension ihres Unternehmens und damit ihres Amtes bewußt sind auch auch gekonnt auf der entsprechenden Klaviatur spielen; aber im Prinzip findet sich hier noch ein weites Betätigungsfeld für Politiker, die zumindest zeitweilig in die Wirtschaft gehen wollen.

Dies um so mehr, weil zusehends politische Entscheidungen an wirt-schaftliche'Determinanten gebunden sind, sich die Wirtschaft dieses Prozesses aber noch immer viel zu wenig bewußt ist, andererseits Politiker, wenn schon nicht Entscheidungshilfen, so doch zumindest Anregungen für ihre Meinungsfindung benötigen. Um diesen Link zwischen Politik und Wirtschaft schneller, reibungsloser und effektiver herzustellen, sollte sich die Wirtschaft Politiker a. D. bedienen, die die gleiche Sprache wie ihre amtierenden Kollegen sprechen.

Schließlich sind Politiker in der Regel versierte Öffentlichkeitsarbeiter ohne Scheu vor Journalisten wie sie oft bei gestandenen Managern anzutreffen ist. Das sich daraus ergebende Potential für Unternehmen braucht nicht weiter erläutert werden.

Der Autor war Generalsekretär der Austrian Industries Technologies; seit 1.11. 1992 ist er Landesgeschäftsführer der Wiener ÖVP.

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