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Prag 1991

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Gemeinsam mit den Universitätsprofessoren Richard Plaschka (Historiker) und Josef Weismayer (Theologe) war ich zu einem Symposion „Kirche und öffentliches Leben” an der Prager Karlsuniversität eingeladen. Es war mein erster Besuch in Prag überhaupt.

Prag ist auch bei Nebel eine wunderschöne Stadt. Als Österreicher fühlt man sich fast daheim. Die großen Palais tragen die Namen der Familien, deren Nachfahren heute unter uns leben. Dieselben Architekten und Maler haben da und dort gewirkt. Die Stile sind ähnlich, nur die Gotik strenger, die Renaissance viel ausgeprägter. Die Wende ist überall zu spüren, neben Hoffnung auch Angst, sogar Resignation.

Das Prager Priesterseminar wurde 1921 gebaut. In den letzten Jahren war darin die Redaktion einer kommunistischen Zeitung, in Wahrheit ein viel weiterreichendes „Informationszentrum”. Die Seminarkirche wurde zu einem hochtechnisierten Konferenzraum umgestaltet. Soll man sie nun wieder „sakralisieren” oder eher so belassen und „kommunistische Technik ” für bessere kirchliche Kommunikation verwenden?

Der Staat hat sofort drei theologische Fakultäten an der Karlsuniversität errichtet. Die hussitische und lutherische sind, obwohl klein, sehr initiativ. Katholischerseits beängstigt einige diese Öffnung. So können zum Beispiel „Laien” noch nicht mit Priesteramtskandidaten gemeinsam studieren. Den wissenschaftlichen Nachwuchs will man „schnell” in eigenen Kursen in Rom ausbilden lassen. (Warum nicht auch anderswo?)

Die Kirche steht auch sonst vor vielen Entscheidungen. Etwa, wieviel an Gut und Boden sie zurücknehmen soll. Die einen: „Alles, nur so können wir die Ausgaben finanzieren.” Die anderen: „Dann wird vor den • Leuten eine arme Bekennerkirche wieder zu einer .reichen'.”

Politisch steht das Schwerste noch bevor. Viele resignieren. „In den wichtigsten Bereichen sind noch immer die Kommunisten ”, klagt man. Es waren eben derer so viele und andere hatten kaum Zugang zu bestimmten Fachausbildungen. „Wird am Ende alles wieder umkippen, wie 1968?” Einer träumt vor uns, nach Vaclav Havel könnte wieder ein König kommen.

Die Reprivatisierung geht schleppendvoran. Wir waren in einem ehemaligen Gewerkschaftshotel untergebracht. Bedienungsstil wie früher. Eine junge Kellnerin: „Wir haben noch nicht gelernt, wie man mit , Gästen 'umgeht!” Auf der Rückreise kamen wir in Budweis in ein Hotel einer amerikanischen Kette. Die ganze „Hierarchie” des Managements stand zum Service bereit. Ob so das Ausland das große Rennen (und Geschäft) machen wird?

Prag ist wunderschön. Aber vieles muß sich noch ändern!

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