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Prager Nationaltheater wird restauriert

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Eine Hochburg der tschechischen Kultur und ein Paradestück der tschechischen Architektur des 19. Jahrhunderts, das Prager Nationaltheater, wird in Kürze mit einem Kostenaufwand von 700 Millionen Kronen restauriert, modernisiert und erweitert werden. Das Haus war seit 1883 in Betrieb, ohne daß größere Renovierungen vorgenommen worden wären. Anläßlich der Jahrhundertfeier im Jahre 1983 soll das erneuerte Haus feierlich wiedereröffnet werden.

Die Geschichte dieses Narodny Di-vadlo war ein wesentlicher Abschnitt der tschechischen Kulturentwicklung. Im Jahre 1850 wurde unter der Führung des bekannten Historikers und Politikers Frantisek Palacky eine Gesellschaft für den Bau eines nationaltschechischen Theaters ins Leben gerufen. Ein monumentales Theater im Prager Stadtzentrum sollte zum Symbol der nationalen Existenz werden. Sein Grundstein wurde am 16. Mai 1868 gelegt. Das ganze tschechische Volk beteiligte sich am Bau mit großzügigen Spenden.

Die Eröffnung erfolgte am 11. Juni und wurde zu einer tschechischnationalen kulturpolitischen Demonstration. Smetanas Freiheitsoper „Libusa“ wurde uraufgeführt, obwohl das Haus eigentlich noch nicht ganz fertig war. Zwei Monate später brach Feuer aus, und das Narodny Divadlo fiel den Flammen zum Opfer. Aber der Enthusiasmus des ganzen tschechischen Volkes war derart, daß eine neue Geldsammlung den Wiederaufbau unter der Leitung des jungen Architekten Josef Schulz in Rekordzeit möglich machte. Am 18. November 1881 war das Werk in der Gestalt vollendet, die wir kennen.

Die Opern-, Sprechbühnen- und, etwas später auch die Ballettensembles des Narodny Divadlo entwik-kelten sich sehr rasch zu kulturellen Institutionen, und die damals den modernen Anforderungen entsprechende technische Ausstattung machte das Nationaltheater zu einer Modellbühne. Die Pausen räume boten dem Publikum eine permanente, repräsentative Ausstellung zeitgenössischer tschechischer Kunst.

Der Einfluß des kommunistischen Regimes hat dieser Institution in den vergangenen drei Dekaden großen Schaden zugefügt. Vor allem wirkte sich die „Normalisierung“ seit August 1968 unter dem Druck der Sowjetokkupation als Kulturdiktatur aus. Der Rotstift des Zensors wütete, und zahlreiche Stücke wurden vom Programm gestrichen, darunter auch eine Komödie von Moliere, die sich als nicht volksdemokratisch genug erwiesen hatte. Sogar Bertolt Brechts „Mutter Courage“ wurde zensuriert und „umgearbeitet“. Die Kulturverantwortlichen und Theaterpolizisten des Hu-säk-Regimes sahen hinter allen Kulissen Gespenster und duldeten keine „politischen Anspielungen und Zweideutigkeiten“, die irgendwie hätten auf das herrschende System bezogen werden können.

Später wurden die Zuschauer für diese Striche reichlich „entschädigt“, denn ein Stück des Arbeiter-Staatspräsidenten Antonin Zapotocky mit dem Titel „Neue Kämpfer werden sich erheben“, das während der fünfziger Jahre bereits auf dem Spielplan gestanden und dessen Besuch für Schüler und treue Parteimitglieder obligat gewesen war, wurde 1971 neu inszeniert.

Obwohl das Prager Nationaltheater als eines der ersten ein Lüftungssystem besaß und als erstes Edison-Glühbirnen für die Beleuchtung verwendete, ist seine technische Ausrüstung heute rettungslos veraltet.

Im umgebauten Haus wird man die Zahl der Sitzplätze vermindern, weil ein automatisch gesteuerter „technischer Block“ eingebaut werden muß. Hintere Logenplätze und das Stehparterre werden verschwinden, im Keller sollen neue Garderoben in der Nähe des Haupteingangs eingerichtet werden. Jeder Parterresitz erhält eine Höranlage für Simultanübersetzungen. Mehr und größere Künstlergarderoben, Probebühnen für Drama, Ballett und Oper, Liftanlagen und technische Arbeitsräume sollen im Haupthaus untergebracht werden. Drei neue Gebäude sollen die unterirdische Elek-trozentrale, einen großen Empfangssaal, ein Kaffeehaus, ein Sozialzentrum, Klubräume fürdas künstlerische und technische Personal, Requisitendepots, Säle für Bühnenbildner und eine unterirdische Garage für 248 Autos aufnehmen. Alle Gebäude werden unterirdisch miteinander verbunden sein.

Bei der Planung der Renovierungsarbeiten wurde auch der Denkmalschutz berücksichtigt. Auch historische Bühnenbilder gelten dabei als „Denkmäler“, die geschützt und unbeschädigt erhalten werden müssen..Die originale Fassade des Hauses bleibt unverändert, das Stadtbild unverletzt.

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