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Presse in Nöten

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Großzügige Staatshilfe kann zwar Schwedens Zeitungen nicht aller materiellen Sorgen entheben, leistet aber einen sehr wesentlichen Beitrag zur Erhaltung eines breiten Meinungsspektrums

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Großzügige Staatshilfe kann zwar Schwedens Zeitungen nicht aller materiellen Sorgen entheben, leistet aber einen sehr wesentlichen Beitrag zur Erhaltung eines breiten Meinungsspektrums

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Es gibt kein Land in der westlichen Welt, das seiner Presse eine so hohe öffentliche Unterstützung angedei-hen läßt wie Schweden. Doch ähnlich wie der Schiffbau Schwedens scheint auch dieser Wirtschaftszweig ein Faß ohne Boden zu sein. In immer kürzeren Abständen sieht sich die Regierung gezwungen, den Umfang ihrer

Hilfsmaßnahmen zu erhöhen, wenn sie ein Massensterben im Blätterwald verhindern will.

Noch vor ihrer Auflösung hatte die bürgerliche Koalitionsregierung die sechsprozentige Anzeigensteuer auf drei Prozent herabgesetzt. Nun kündigte die liberale Minderheitsregierung an, daß sie diese Steuer vollständig abschaffen will. Sie brachte der Staatskasse 1978 43 Millionen Schwedenkronen (eine Krone entspricht 3,20 Schilling) ein, 28 Millionen davon mußten die großstädtischen Blätter in Stockholm, Göteborg und Malmö aufbringen.

Wie widersinnig diese Steuer ist, mögen einige Beispiele beleuchten: Das „Svenska Dagbladet“ in Stockholm zahlte 3,9 Millionen Kronen Anzeigensteuern, erhielt jedoch wegen seiner stark gefährdeten Position vom Staat einen „Produktionsbeitrag“ in der Höhe von 23,4 Millionen Kronen. Noch widersinniger erscheint das Verhältnis zwischen Unterstützung und Besteuerung beim „Sydsvenska Dagbladet“ in Malmö: Diese Zeitung erhielt vom Staat einen „Produktionsbeitrag“ in der Höhe von sechs Millionen Kronen, mußte jedoch zehn Millionen an Inseratensteuern abführen. Was der Staat mit der einen Hand gab, nahm er mit der anderen wieder zurück.

Außer der Beseitigung der Anzeigensteuer sind für das laufende Jahr auch noch andere Verbesserungen der Staatshilfe für die Presse vorgesehen. So wird der Mindestbeitrag für Zeitungen, die nur ein- bis dreimal wöchentlich erscheinen, von 600.000 auf 700.000 Kronen erhöht werden. Bei einer Auflage von 5000 bis 6000 Exemplaren wird künftig ein „Produktionsbeitrag“ von 925.000 Kronen gewährt, bei 6000 bis 7000 Exemplaren von 1,05 Millionen - um 200.000 Kronen mehr als im Vorjahr.

Es versteht sich von selbst, daß Zeitungen mit einer derartigen - für Schweden recht niedrigen - Auflage ohne großzügige Staatsbeiträge gar nicht existieren könnten.

Es muß dabei erwähnt werden, daß die schwedische Regierung bei der Einstufung der Blätter in die Kategorien Tageszeitungen, Wochenzeitungen oder Fachzeitschriften (die ebenfalls als beitragsberechtigt erklärt werden können) sehr großzügig vorgeht. So wird auch der kleinen kommunistischen Wochenzeitung „Ny Dag“ der Charakter einer Tageszeitung zuerkannt, und damit auch die Beitragsberechtigung, ohne die das Blättchen längst hätte eingestellt werden müssen. Nun verlangt man jedoch, daß eine solche Zeitung pro Jahr mindestens 1500 „Spaltenmeter“ redaktionelles Material aufweisen muß, wenn es einen Staatsbeitrag erhalten will.

Es kommt auch noch zu anderen Verbesserungen der Staatshilfe: Der Mindestbeitrag für Zeitungen, die fünfmal pro Woche erscheinen, wird von einer auf 1,25 Millionen Kronen erhöht. Wird einer solchen Zeitung überregionale Bedeutung zuerkannt, erhöht sich der Mindestbetrag von 2,4 auf sechs Millionen Kronen - eine sehr starke Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand.

Trotzdem deuten die Auflagenzif-fern von 1978 auf alarmierende Rückschläge der Tagespresse, die Rückgänge bis zu 11 Prozent der Auflage verzeichnet.

Es ist bezeichnend, das fast alle großen Zeitungen der drei größten Städte beschlossen haben, ihre Auflagenziffern für die zweite Hälfte 1978 nicht mehr zu veröffentlichen. Alle mit Ausnahme des konservativen „Svenska Dagbladet“ in Stockholm mußten schmerzliche Auflagenminderungen hinnehmen.

So hält „Dagens Nyheter“, die größte Morgenzeitung Skandinaviens, die 1975 noch 452.000 Exemplare druckte, nun gerade noch bei 400.000 Exemplaren, und auch das nur dank einer energischen Werbekampagne. „Expressen“, die größte Abendzeitung, verliert seit 1972 ständig an Boden und fiel in dieser Zeit von 620.000 auf- 515.000 Exemplare. Auch „Af-tonbladet“, das Nachmittagsblatt der

Gewerkschaften, hat in dieser Zeit 100.000 Käufer verloren.

Die einzige Ausnahme unter allen größeren Zeitungen ist „Svenska Dagbladet“, das im Vorjahr um 4500 auf 180.000 erhöhen konnte. Gerade diese Zeitung aber mußte für das letzte Geschäftsjahr einen Verlust von 40,7 Millionen Kronen zugeben, der durch einen Staatsbeitrag von 23,5 Mülionen nur zum Teil gedeckt werden konnte. Auch der private Hilfsfonds dieser Zeitung ist nahezu erschöpft.

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