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Preußenkönige

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Daß die Bewohner der österreichischen Alpenländer mit den benachbarten und stammverwandten Bayern die Mundart, die Lederhosen, die Vorliebe für das gekochte Rindfleisch und sonst noch mancherlei auf der Ebene der Volkskultur gemeinsam haben, ist hinlänglich bekannt. Ebenso die Tatsache mancher Ähnlichkeit zwischen München und Wien, trotz des boshaften Wiener Witzwortes „München ist, wie sich St. Pölten Paris vorstellt“. Weniger bekannt, wenngleich den Fachleuten längst

bewußt, 1st die Im Grunde viel wichtigere Tatsache der zahlreichen Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen Österreich und Preußen in der geschichtlichen Entwicklung wie in der sozialen Struktur der beiden Staatsgebilde und ihrer Führungsschichten. Beide Staatswesen, das alte Österreich wie das alte Preußen, waren Schöpfungen einer Dynastie aus voneinander weit entfernten, sich In West-Ost-Richtung quer über den

ganzen deutschen Sprachraum erstreckender Länder und Herrschaften, In beiden Staaten waren Adel, Heer und Bürokratie die wichtigsten Gehilfen der staatsbildenden Dynastie in dem jahrhundertelangen Prozeß der Staatsbildung und Vereinheitlichung.

Habsburger und Hohenzollern stammten aus dem deutschen Südwesten und ein Besuch beider Stammburgen kann heute leicht in einem Tagesausflug mit dem Auto verbunden werden, ein Hohenzoller überbrachte Rudolf von Habsburg im September 1273 die Nachricht von seiner Wahl zum König, und das Ende der Hohenzollernmonarchie am 9. November 1918 gab den letzten Anstoß zum Ende der Habsburgermonarchie nur zwei Tage später. Zudem gibt es zumindest seit Maria Theresia und Friedich dem Großen einen immer wieder zu beobachtenden Parallelismus der Herrscherpersönlichkeiten: , so zwischen Kaiser Franz und seinem Zeitgenossen und Verbündeten Friedrich Wilhelm HI., zwischen Kaiser Franz Joseph und Wilhelm I. Die dem Liberalismus huldigenden Söhne dieser beiden Herrscher „alten Schlages“, Kaiser Friedrich III. und Kronprinz Rudolf, die einander In starker Sympathie zugetan waren, kamen nicht zum Zuge und starben im Abstand weniger Monate, während dann zwischen Kaiser Wilhelm II. und dem österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand starke gegenseitige Sympathien und zahlreiche Gemeinsamkeiten bestanden.

So vermag ein Buch über „Preußens Könige“ auch den österreichischen Geschichtsfreund zu interessieren; besonders wenn es, wie das vorliegende, von ausgezeichneten Kennern geschrieben, eine Reihe lebensvoller Porträts enthält, die gleich weit von den Extremen serviler Unterwürfigkeit und hemdsärmeliger Anbiederung entfernt, jene „Ebene wohltemperierter Distance“ einhalten, die der Herausgeber Fried-

rich Wilhelm Prinz von Preußen an den Beiträgen mit Recht rühmt. Natürlich gleicht die Aufgabe, in einer solchen Reihe auf nur etwas mehr als zwei Bogen ein Porträt Friedrichs II. zu skizzieren, wie Carl J. Burckhardt einmal in einem ähnlichen Zusammenhang geschrieben hat, dem Wagnis, „einen Viermaster in eine Flasche zu bauen“. Aber Hellmut Diewald löst diese schwierige Aufgabe optimal in festem, reiche Kenntnisse und starkes schriftstellerisches Temperament verratenden, Zugriff. Auch sind die hier zu behandelnden neun Träger der Königskrone, von Friedrich I., dem ersten König (als Kurfürst von Brandenburg Friedrich III.) bis zu Wilhelm II. an Charakter, Bedeutung, Lebens- und Regierungsdauer

so verschieden gewesen wie nur irgend denkbar. Gerade deshalb aber sind diese Lebensbilder geeignet, Klischeevorstellungen zu korrigieren und, auf dem Weg über die menschliche Anteilnahme an den herrschenden Persönlichkeiten, auch ein besseres Verständnis für die Geschichte des untergegangenen Staatswesens Preußen, gleich fern von Glorifizierung wie von Verteufelung, zu wecken.

PREUSSENS KÖNIGE, Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen, mit Beiträgen von Alexander von Hase, Gerhard Oestreich, Hellmut Diwald, Horst Behrend, Bernhard Klaus, Hans- Joachim Schoeps, Wolfgang Stribrny, Michael Freund und Walter Bußmann. Bertelsmann-Sachbuch-Verlag, Gütersloh-Wien 1971, Leinen, 256 Seiten.

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