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Priester — Hüter der Liebe Gottes

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Das Goldene Priesterjubiläum Karl Rahners (unser Bild) am 26. Juli war der Anlaß für das nebenstehende Gespräch. Der heute 78jährige Dogmatiker aus dem Jesuitenorden, einer der Bahnbrecher des 2. Vatikanischen Konzils, blieb trotz zahlreicher Ehrendoktorate und Auszeichnungen immer auch „Seelsorger”.

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Das Goldene Priesterjubiläum Karl Rahners (unser Bild) am 26. Juli war der Anlaß für das nebenstehende Gespräch. Der heute 78jährige Dogmatiker aus dem Jesuitenorden, einer der Bahnbrecher des 2. Vatikanischen Konzils, blieb trotz zahlreicher Ehrendoktorate und Auszeichnungen immer auch „Seelsorger”.

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Karl Rahner akzeptiert die Behauptung einer Krise des Priesterseins heute. Zumindest in der fortgeschrittenen westlichen Industriegesellschaft scheine es kein positives priesterliches Rollenbild mehr zu geben, das früher dem Amt öffentliche Anerkennung und weit über den kirchlichreligiösen Bereich hinaus Attraktivität und Plausibilität verschafft habe.

Wenn Gisbert Greshake in seinem jüngsten Buch „Priesterseirt” schreibt, daß das Wort „Dienst” der Bezeichnung „Amt” vorgezogen werde, so bedeutet dies, daß das „Funktionale”, die Tätigkeit für andere bevorzugt und das, was irgendwie nach Vorrang aussehen könnte, abgelehnt würde.

Hier erhebe sich nach wie vor die Frage, so Rahner, womit der Priester der Gemeinde dient. Ist er fundamental und in erster Linie Sozialarbeiter oder ist er darüber hinaus noch etwas ganz anderes? Natürlich habe der Priester heute tausend Aufgaben: Er habe sich der Armen in der Gemeinde anzunehmen, er habe Frieden zu stiften, sozialkritisches Verhalten zu erwecken.

Aber der eigentliche Kern des Priestertums ziele darauf hin, daß der Priester der von Christus gesandte und bevollmächtigte Bote des ewigen Gottes sei, mit seiner alle irdischen Aufgaben, Möglichkeiten und alle irdischen Zu-künfte noch überbietenden und, sprengenden Botschaft, daß es Gott gibt, daß diese Unbegreiflichkeit etwas mit uns zu tun haben will, daß er da bei mir ist, mich liebt, mich umfängt, meine Existenz zu einer endgültigen machen will, daß er mich begnaden will mit sich selber und seinem ewigen Leben, und das endgültig.

Dieses Wort, in dem Gott sich dem Menschen selber zusagt, müsse weitergegeben und bezeugt werden, daß es durch Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, eine unwiderrufliche ewige Gültigkeit hat. Dazu seien Menschen notwendig, die diese Botschaft ausrichten. Natürlich würde der ewige Gott in der Freiheit seiner unendlichen Liebe auch in den Tiefen eines Menschen, der meint, Atheist zu sein, noch wirken.

Diese Botschaft sei natürlich ein Wort, in dem die ausgesagte Wirklichkeit selber fordernd, erlösend und befreiend beim Menschen ankommen soll. Und darum sei dieses Wort letztlich ein sakramentales, ein Gnadenwort. Und wenn daher der Priester auch der Spender der Sakramente sei, der Vorsteher der Feier des Abendmahles Jesu, in dem der Gekreuzigte mit seiner Kraft selber gegenwärtig wird, dann sei er eben nicht nur ein. Vollzieher irgendwelcher magischen und altmodischen Ritualien, mit denen ein moderner Mensch nichts mehr anfangen könne, sondern dann sei er derjenige, der das letzte, unbegreifliche, ewige, aber seligmachende Geheimnis Gottes den Menschen zusage.

Wenn ein Priester dafür kein Verständnis habe, dann habe er eben kein Verständnis für seinen Priesterberuf. Dann wäre er wirklich besser Sozialarbeiter geworden. Natürlich hätte es der Priester heute viel schwerer, das Evangelium zu verkünden. Aber Karl Rahner meint, daß die Krisen des Priesterseins nicht un-

überwindbar wären. Natürlich sei das priesterliche Leben umschattet von der Gewöhnlichkeit alltäglichen Lebens, an der der Priester hoffentlich mit seinen Mitmenschen leide. Es müsse sich auch immer wieder aus der Banalität des Alltags einen Durchbruch der Hoffnung in die Unendlichkeit Gottes bei ihm selber vollziehen. Er könne nicht glücklich sein, wenn er nicht immer wieder versuche, ein'Mensch Gottes, ein Mensch der Erfahrung des Heiligen Geistes, ein Mensch der Ewigkeit zu sein.

Wenn der Priester das nicht tue, würde ihm das Priestertum zur unerträglichen Last. Aber es müsse doch heute in unserer banalen, brutalen Gesellschaft Menschen geben, die die heilige Flamme der Anbetung und der Liebe Gottes hüten.

Es gehöre, so Karl Rahner, zu einem normalen Christen und erst recht zu einem Priester, daß er mit der faktisch bestehenden Kirche zurechtkommen müsse. Was natürlich nicht immer hieße, daß er allem begeistert zustimme.

Er könne sich im konkret gelebten Priestertum manches anders vorstellen als es ist, er könne sich einen Klerus denken, der die Verpflichtung der Ehelosigkeit nicht zu tragen habe. Die Frage sei, was dann besser wäre. Wenn der westeuropäische Klerus bettelarm leben würde, etwa im Stile Jesu, dann würde er durch eine solche Armut vielleicht mehr Zeugnis ablegen dafür, daß er über alle irdischen Glücksberechnungen hinaus nach einem Gott der Ewigkeit auslange. Wer könne wissen, ob nicht bald gesellschaftliche Situationen gegeben seien, in denen auch der Zölibat wieder einen deutlicheren Zeugnischarakter erhalte.

Leider sei im großen und ganzen beim westeuropäischen Priester wenig von diesem Zeugnischarakter des Zölibates zu verspüren, das müsse man nüchtern und ehrlich zugeben. Wie müßte der Lebensstil des Priesters, auch im gesellschaftlichen Bereich, aussehen, daß die Menschen den Eindruck haben könnten: der ist entweder verrückt oder er muß an einen Gott glauben, der mir allmählich durch dieses Zeugnis nahekommt.

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