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Priester ohne Nestwärme

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Darüber, ob der Eheverzicht der katholischen Priester zeitgemäß und zweckmäßig, gottgewollt und kirchengefällig ist, sollte nach wie vor redlich nachgedacht werden. Solches Nachdenken scheint jedenfalls besser als die moralische Entrüstung mancher Austro-Ka-tholiken bei bekanntgewordenen priesterlichen Verfehlungen — und auch besser als die Biertisch-Polemik „Laßfs ös halt heirat'n!” Als ob die Ehe heutzutage ein unproblematisches Heilmittel wäre!

Derzeit hat die katholische Kirche mit dem Zölibat ihrer Priester zu leben, einfach praktisch-pragmatisch. Denn unmöglich und schädlich ist diese Lebensform nicht. Die Frage ist, wie sich dieses Leben gestalten soll. Es bedeutet nämlich der Zölibat nicht, daß der Priester auf alle menschlichen Bindungen, die heute aus der Verhaltensforschung den Ausdruck „Nestwärme” gefunden haben, verzichten soll und kann.

Jene geistlichen Frohnaturen und Gruppendynamiker, denen sich Probleme in dieser Beziehung gar nicht stellen oder von selbst lösen, sind nicht gemeint. Die Gefahren drohen den oberflächlich weniger kommunikativen Priestern, deren Wert für die Kirche nicht geringer ist als der der Liturgieproduzenten und Fußbällkapläne—ganz abgesehen von den kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen, die sie oft vollbringen.

Es steht oft schlecht um diese Priester; Sie vereinsamen in einem unerhörten Maße. Klerikales Sozialprestige und schulische Gemeinschaft, die früher einen gewissen Halt boten, haben ihre Bedeutung verloren.

Wir Laien machen es uns leicht. Der Priester, so meinen wir, habe ohnehin seine Spiritualität. Gott entschädige ihn für alles. Gott entschädigt den' Priester nicht mehr und nicht weniger als jeden von uns: mit Hoffnung und Schweigen. Und so tritt heute mehr als früher die paradoxe Situation ein, daß oft der Seelsorger mehr des Trostes bedarf als der

Laie. Einer trage des anderen Last!

Es ist wahr, daß gerade dieser Typ des Priesters sehr wenig Ahnung von und Verständnis für den praktischen Alltag beispielsweise eines Familienvaters hat. Daher bemüht sich der Laie auch nicht um das Verständnis der priesterlichen Einsamkeit.

So nehmen Verhängnisse ihren Lauf. Einen mitunter tragischen Lauf. Wir reden viel von Mitmenschlichkeit. Sind Priester keine Mitmenschen? Ein Appell daher, eine Mahnung: Wir alle, wir sogenannten Laien, im weitesten Sinne sogar wir Zeitgenossen, sind für die durch den Mangel an Nestwärme gefährdeten Priester mitmenschlich verantwortlich.

Weder materielle Spenden an irgendeine priesterliche Organisation, noch inbrünstige Gebete um gute Priester entheben uns der unmittelbaren, mitmenschlichen Pflicht. Wir haben nicht mehr allzu viele. Jeder, den wir verlieren, klagt uns an.

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