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Prinz Eugens Kuruzzenwall

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Marchegg Dezember 1703: Am Hauptplatz hatte eine Schar Soldaten Aufstellung genommen, dazwischen bunte Werber mit Marketenderinnen, die mit allerlei Versprechungen, unterstützt von Wein und Schnaps junge Bauernburschen zu den Soldaten pressen wollten. Prinz Eugen hatte zu dieser verzweifelten Tat gegriffen, weil er sich gegen den Kuruzzen-sturm aus dem Osten keinen Rat mehr wußte. Am 11. Dezember hatten sie Au am Leithagebirge überfallen und gebrandschatzt, sie würden auch vor Wien nicht Halt machen.

Die Kuruzzen, ein mittlerweile gefechtsmäßig geordneter Haufen von Strauchdieben, desertierten Soldaten, unzufriedenen Bauern und berufsmäßigen Radaubrüdern, hatten die Ostgrenze des Habsburgerreiches in Bewegung gebracht. Die Bezeichnung Kuruzzen stammt von den lateinischen Wörtern „crux" = Kreuz beziehungsweise „cruzifer" = Kreuz-träger, Kreuzfahrer. Die Bewegung der Kuruzzen war schon im 16. Jahrhundert gegründet worden, als der ehrgeizige Bischof von Gran, Thomas Bakocz, auf eigene Faust einen Kreuzzug gegen die Türken unternahm. Das zu diesem Zweck angeworbene Bauernheer führte jedoch statt des Feldzugs gegen die Türken einen Kleinkrieg gegen die Magnaten und endete mit Raubzügen gegen reiche Grundbesitzer und die habs-burgische Herrschaft schlechthin.

Am 24. Dezember 1703 überfielen die Kuruzzen die Ortschaften Grois-senbrunn, Markthof und Schloßhof und brandschatzten sie. Im März 1704 brannten die Orte längs der Donau von Hainburg bis Schwechat. Prinz Eugen gab den Befehl Wien zu befestigen und es gelang in elf Wochen, rund um Wien von St. Marx im Südosten bis Lichtental im Norden den sogenannten „Linienwall" zu ziehen. Im Juli 1704 unternahm Feldmarschall Siegbert Graf Heister einen mächtigen Vorstoß nach Ungarn und setzte so den Kuruzzeneinfällen für einige Monate ein Ende.

In der Zwischenzeit wurden entlang der March von Mähren bis zur Donau Wall- und Grabenanlagen gebaut, die von Petronell bis zum Neusiedlersee im Süden fortgesetzt wurden.

Über den Wällen errichtete man sogenannte Tschardaken, Wachttür-me aus Holz. Sie hatten einen Umgang mit Schießscharten und wurden über Leitern bestiegen, die dann in das Innere des Turmes nachgezogen wurden. Die Lage dieser Tschardaken ist durch alte Pläne beziehungsweise Erdspuren heute noch gesichert. Der Verlauf des Kuruzzenwalls ist ebenfalls genau beschrieben und in Landkarten aus der Zeit Prinz Eugens feststellbar. Im südlichen Verlauf findet man noch Reste in Form der alten Schanze nördlich von Paindorf.

Die Rechnung des Prinzen schien aufzugehen: im Jahre 1705 blieben die Kuruzzeneinfälle zur Gänze aus. Ein Zulauf zum Militär setzte ein, Werbungen wurden vor allem in Marchegg und südlich davon im Salmhof durchgeführt. Der Salmhof war offensichtlich für einen behelfsmäßigen Befehlsstand des östlich vorbei-laufenden Kuruzzenwalls vorgesehen. Lage und bauliche Voraussetzungen schienen ihn dafür prädestiniert zu haben.

Der Salmhof, das ist ein weitläufiges Areal mit Wirtschaftsgebäuden, zusammen mit den Resten eines Schlosses aus dem 16. Jahrhundert und einer Mühle. Der Name Salmhof geht auf Graf Niklas von Salm, den Verteidiger Wiens in der ersten Türkenbelagerung zurück. Er hatte auf seinen Ländereien ein Renaissanceschloß erbauen lassen, das mit Wall und Graben umgeben war.

Vom Schloß ist heute nur noch ein imposantes Hauptgebäude erhalten. Über einem rechteckigen Grundriß erhebt sich die zweigeschoßige, streng gegliederte Fassade mit regelmäßig angeordneten hochrechteckigen Fenster mit Steinrahmungen. Einen besonderen, repräsentativen Akzent erhält die Fassade durch die vorgelagerte, offene Treppenanlage. Das Bauwerk zeigt mit seiner klaren, im wesentlichen unverändert erhaltenen Formensprache Stilkriterien der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die in Niederösterreich vergleichslos und einmalig sind.

GrafNiklas von Salm wurde anläßlich der ersten Türkenbelagerung von 1529 schwer verletzt und starb im Salmhof am 4. Mai 1530. Die Herrschaft Salmhof wird in der Folge im Jahre 1590 von den Freiherrn von Landau übernommen. Im Jahre 1621 geht sie an die Freiherrn von Palffy über. Im 19. Jahrhundert wird der inzwischen etwas herabgekommene Besitz Privateigentum. Von den Wehranlagen gegen die Kuruzzen am Gelände des Salmhofs ist so gut wie nichts mehr erhalten.

Erst seit 1989 ist die Unterdenkmalschutzstellung durch das Wissenschaftsministerium rechtskräftig. Der jetzige Besitzer des Objekts hatte längere Zeit hindurch auf Abbruch gedrängt. Der N. Ö. Schlösser-Marketing-Gesellschaft und dem Verein Forum Marchfeld ist die Erhaltung des historischen Gebäudes ein Anliegen, soferne die finanziellen Mittel aufzutreiben sind, soll im Salmhof ein Museum über die Türkenkriege entstehen.

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