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Privat krankenversichert: Kosten, Nutzen und Tarife

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Die erste und wichtigste Frage ist die nach Ihrem persönlichen Bedarf. Was will ich? Was erwarte ich von einer zusätzlichen Krankenversicherung ?

1. Abdeckung der Sonderklasse. Dem Pflichtversicherten, der monatlich Beiträge bei der gesetzlichen Sozialversicherung einzahlt, wird volle Kostendeckung in der Sonderklasse , (früher zweite Klasse, zwei bis vier Betten in einem Zimmer) in allen Vertragskrankenhäusern der Versicherung garantiert.

Beschaffen Sie sich Tarife und Verzeichnisse der Krankenhäuser von verschiedenen Versicherungen. Für manche Spitäler wird eine Kostenübernahmeerklärung nur dann abgegeben, wenn sich der behandelnde Arzt (den Sie

sich aussuchen können) an die zwischen ihm und der Versicherungsgesellschaft getroffenen Honorarabsprachen hält. Sollten Sie sich also für irgendeine besondere medizinische Kapazität entschieden haben, sprechen Sie vorher über das Honorar. „Extra schwarz auf die Hand" wird von der Versicherung nicht akzeptiert. Im übrigen aber ist man großzügig. Ob komplizierte Kopfoperation oder simpler Blinddarm, die Versicherung zahlt für Verpflegung, Medikamente, Behandlung und Operation.

Allerdings müssen die Tarife jedes Jahr nach einem emsigen Feilschen zwischen Krankenhäusern und Versicherungen angehoben werden. Noch zwei Punkte sind bei der Sonderklasse zu beachten:

ä) Welche Spitäler in welchen Bundesländern werden abgedeckt? Die Prämien sind unter Umständen außerhalb von Wien billiger. Ein Tag in einem AKH-Bett wirkt sich in der Versicherungskalkulation anders aus als einer im Krankenhaus Schärding. Der Österreich-Tarif deckt in der Regel alle Bundesländer ab.

b) Sind Sie Unselbständig, Selbständig oder Beamter? Bei den Beamten wird ein höherer Betrag als bei den Unselbständigen aus der Pflichtversicherung abgedeckt. Die „Differenzleistung" der privaten Krankenversicherung ist daher geringer, somit auch die Prämie. Selbständige werden nadh ihrer Einkommenshöhe beurteilt. Wer netto jährlich unter ein bestimmtes Limit (derzeit 126.000 Schilling netto, der Betrag wird alljährlich angepaßt) fällt, ist Sachleistungsbezieher und dem ASVG-Versicherten gleichgestellt.

Besser dran sind die Geldleistungsbezieher, da bei ihnen,ähnlich wie bei den Beamten, ein höherer Betrag durch die Pflichtversicherung abgedeckt wird, was sich in einer geringeren Prämie niederschlägt.

Nach diesen wesentlichsten Fragen, sehen Sie sich die Zusatzleistungen an. Was bietet die Krankenversicherung auf diesem Gebiet?

Kann zum Beispiel die Mutter als Begleitperson eines mitversicherten Kindes mitkommen?

Wie hält es die Versicherung mit der Aufnahmegebühr? Mit der Risikoprüfung? Mit den Wartezeiten (auf den Versicherungsschutz)? Was wird für den Fall angeboten, daß Ihr Kind behindert auf die Welt kommt? Wie steht es mit den Kündigungsbedingungen?

Übrigens: Eine Krankenversicherung können Sie immer nur per Ende des VersicherungsJahres kündigen, wobei der Stichtag jener ist, an dem Sie eingetreten sind. Spätestens nach Ablauf von drei Jahren besteht von Seiten der Versicherung absoluter Kündigungsschutz. In diesem Sinne ist

es daher günstiger, sich möglichst jung versichern zu lassen.

Abgesehen davon ist im Alter von unter dreißig Jahren die Prämie geringer. Uber sechzig müssen Sie breits fast das Vierfache der Prämie zahlen, die Sie mit dreißig Jahren zu berappen hatten. Uber fünfundsechzig oder gar siebzig ist es überhaupt nicht mehr möglich, einen privaten Versicherungsschutz zu erlangen.

A propos Prämienhöhe: Im allgemeinen unterscheiden Versicherungen Männer, Frauen, Ehepaare und mitversicherte Kinder

meist bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres.

Frauen unter vierzig haben wegen der mutmaßlichen Entbindungskosten erheblich höhere Prämien als Männer unter dreißig, nämlich fast das Doppelte.

Anstelle der vollen Kostendek-kung können auch 2. Ziffernleistungen beansprucht werden. Sie sind gleichfalls im Tarif zu finden und legen im einzelnen fest, wieviel an Taggeld, Operations- und Behandlungshonorar von der Krankenversicherung abgedeckt wird.

Im Versicherungsverband gibt man offen zu, daß die Ziffernleistungen zu den heiklen Punkten in der zusätzlichen Krankenversicherung gehören. Sie sind schwer vergleichbar, das „Restrisiko" für das der Patient selbst aufkommen muß, bleibt oft unkalkulierbar hoch.

Die Ziffernleistungen werden beansprucht, wenn:

a) der Versicherte die jährliche Tarifanpassung nicht mitgemacht hat;

b) das Spital, das er sich ausgesucht hat, kein Vertragskrankenhaus ist; Vertragskrankenhäuser haben mit der Versicherung eine direkte Verrechnung, der Patient muß daher auch nichts vorfinanzieren. Der Wiedereinstieg in den regulären Tarif ist mit Schwierigkeiten verbunden;

c) wenn er nicht Sonderklasse, sondern die Allgemeine Gebührenklasse (Dritte Klasse) ausgesucht hat und aus seinem Sonderklassetarif nur das Ersatztaggeld in Anspruch nimmt.

Schätzungen gehen dahin, daß neunzig Prozent der Sonderklasse-Versicherten die Sonderklasse in Anspruch nehmen, zehn Prozent gehen in die Allgemeine Gebührenklasse und begnügen sich mit dem Ersatztaggeld.

Die Ziffernleistungen - Taggelder, Behandlungs- und Operationshonorare — sind übrigens in jedem Tarif angeführt. Das Instrumentarium der Krankenversicherungen wird ständig verfeinert.

So bieten einige Gesellschaften ein Krankenhaustaggeld an, mit

dem zusätzliche Kosten im Spital - Trinkgelder, Fahrtkosten für die Angehörigen und so weiter — abgedeckt werden können. Weiters gibt es Kur- und Heilkostenzuschüsse.

Die neueste Errungenschaft ist ein Pflegekostentarif, der aber nur gemeinsam mit dem Spitalstarif und derzeit auch nur von einer Versicherung angeboten wird.

In der letzten Zeit hat sich der Konflikt zwischen den privaten Krankenversicherungen und den Spitälern zugespitzt. Es geht um die Kostendeckung; denn die Krankenhauskosten explodieren.

Wie, das läßt sich im Verpflegs-kostenvergleich der Wiener Städtischen Krankenanstalten deutlich ablesen. Sollte ein Selbstzahler die allgemeine Gebührenklasse beanspruchen, muß er im Durchschnitt 2.000 Schilling berappen, im Allgemeinen Krankenhaus sogar fast 3.000 Schilling (inklusive Mehrwertsteuer). Die Wiener Gebietskrankenkasse kommt mit rund 870 Schilling nur für einen Bruchteil der Kosten auf. Es ist also kein Wunder, daß die Spitäler größtes Interesse haben, mit den Privat-Versicherungen auf gleich zu kommen, da diese einen wesentlichen Beitrag zur Kostendeckung leisten.

Wie wesentlich, ist dem folgenden Beispiel zu entnehmen:

Franz Schitz ist mit dreiundsechzig Jahren an Nierenkrebs erkrankt. Die vierundsechzig Tage Krankenhausaufenthalt in einer bekannten Wiener Klinik verursachen Gesamtkosten von rund 280.000 Schilling. Davon werden nur rund 40.000 Schilling von der Pflichtkasse getragen. Da Herr Schitz mit einer Prämie von siebenhundert Schilling im Monat zusatzversichert ist, deckt den „Restbetrag" von 240.000 Schilling die private Krankenversicherung ab. Frau Fiedlich ist ebenfalls mit 440 Schilling monatlich zusätzlich krankenversichert. Als sie mit dreiundzwanzig Jahren einen Blinddarmdurchbruch erleidet, erfordert dies einen 22tägigen Aufenthalt im Spital der Gesamtkosten von fast 80.000 Schilling verursacht. Davon trägt nur rund 13.000 Schilling die Pflichtkasse.

Von den Versicherungen wurde nun erneut die Forderung erhoben, mehr Behandlungen ambulant, also ohne Spitalsaufenthalt abzuwickeln.

Spitäler und Versicherungen sind nun dabei, einen Katalog von ambulanten Behandlungen auszuarbeiten, die alternativ zu einer teureren stationären Spitalsbehandlung durchgeführt werden können. Hier wird sich also von der Leistung her in nächster Zukunft auch für die Versicherten einiges ändern. Generell sollte man jedoch immer vor Augen haben, daß eine Krankenversicherung kein unerschöpfliches Füllhorn ist, sondern daß hier jede Leistung beinhart durchkalkuliert wurde. Der kritische Konsument ist also auch hier eindeutig im Vorteil.

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