Privat umzingelt
Noch hat der ORF - auch beim Radio - ein Sendemonopol in Österreich. Doch die Invasion via Äther ist längst im Gange. Wir sind von Privatradios, die, professionell gemacht, nach Österreich hereinsenden, an den Grenzen heute schon regelrecht eingekreist.
Noch hat der ORF - auch beim Radio - ein Sendemonopol in Österreich. Doch die Invasion via Äther ist längst im Gange. Wir sind von Privatradios, die, professionell gemacht, nach Österreich hereinsenden, an den Grenzen heute schon regelrecht eingekreist.
Privatradios an Österreichs Grenzen - vor ganz wenigen Jahren wäre das noch kein Thema gewesen. Wohl gab es im Süden Österreichs erste Privatsender aus dem italienischen Raum - mit anfangs geringer Reichweite -, aber ein gesamtösterreichisches Problem schien das noch nicht zu sein.
Doch mittlerweile hat sich die Situation grundlegend gewandelt. Die Sender im Süden Kärntens und Tirols sind teilweise stärker und besser empfangbar geworden.- Aber viel entscheidender dafür, daß Privatradios an Österreichs Grenzen nun doch zu einem gesamtösterreichischen Thema zu werden scheinen, sind zwei andere Entwicklungen:
Zunächst die großflächige Einführung von Privatradio in der Bundesrepublik Deutschland. Für Österreich ist vor allem die Entwicklung in Bayern relevant. Neben 59 anderen Privatradios, die regionale und lokale Bedeutung haben, sendet seit Anfang Oktober des Vorjahres „Antenne Bayern" als landesweite Sendekette mit entsprechender Reichweite. „Antenne Bayern" hat übrigens überwiegend Zeitungsverlage als Gesellschafter.
Hauptkonkurrent und damit Zielrichtung von Antenne Bayern ist natürlich Bayern 3, das Gegenstück, oder wie manche meinen, die Nachahmung von Ö 3. Aber die Wellen von Antenne Bayern machen natürlich nicht an der Grenze zu Österreich halt: Weite Teile Oberösterreichs, das nördliche Salzburg und Teile Tirols können Antenne Bayern bereits empfangen. Und mit dem weiteren Senderausbau ist damit zu rechnen, daß die Empfangsmöglichkeiten in österreichischen Bundesländern noch besser werden.
Parallel dazu, und wohl durch Antenne Bayern mitverursacht, gibt es einen großen Konzentrationsprozeß der Privatradio-Unternehmen in Bayern: Da vielen Privatradios von Anfang an viel zu kleine Versorgungsräume zugewiesen worden sind, versuchen sie jetzt, - gar nicht zur Freude der Medienpolitiker -im Zusammenwirken mit überregionalen Anbietern von sogenannten Mantelprogrammen, ihre Kosten zu senken und durch größere Programmqualität stärker zu werden. Daß auch hier grenznahe Sender nach Österreich einstrahlen können und werden, ist zu erwarten. Und daß unter den Anbietern derartiger überregionaler Mantelprogramme wieder Zeitungsverlage führend vertreten sind, sei nur am Rande erwähnt.
Und noch eines: Die bayerischen Sender sind nicht mehr Privatradios der ersten Stunde, wo irgendwo im Kanaltal oder in Südtirol in einem kleinen Zimmer ein sich selbst für unschlagbar haltender Moderator Platten seiner Wahl auflegte, und damit Vergleichen mit professionell gemachtem Programm öffentlich-rechtlicher Anstalten, wie etwa Ö 3, wohl kaum standhalten konnte. Auch Privatradio ist heute professionell gemachtes Radio.
Noch gravierender für die Situation in Österreich ist aber die politische Öffnung im Osten. Während bei den westlichen Bundesländern jeder Sender, ob er beabsichtigt oder unbeabsichtigt nach Österreich strahlt, meist hohe Gebirge überwinden muß, was in der Regel nur durch erheblichen Kostenaufwand und technische Risikobauten - wenn überhaupt - möglich ist, bietet der flache Osten viel bessere Ausgangsbedingungen für Radiostationen, die im internationalen Jargon „Piraten" heißen, weil sie von außerhalb der Grenzen, und damit außerhalb der bestehenden Rundfunkgesetze und -bestimmungen in ein Land strahlen.
Nach ersten Versuchen aus Ungarn, auch hier ist es ein Sender, der Antenne heißt, nämlich Antenne Austria, die Betreibergesellschaften haben allerdings nichts miteinander zu tun, hat gerade in den letzten Wochen auch die Tschechoslowakei einem ersten Veranstalter Untermiete auf einer Frequenz gewährt.
Damit muß man wohl davon ausgehen, daß Österreich in nächster Zeit von immer stärker werdenden Stationen, die erheblich nach Österreich hineinstrahlen, regelrecht eingekreist werden wird. Und diese Sender haben keine Programmauflagen irgendwelcher Art, sie unterliegen nicht österreichischen Gesetzen, wie etwa dem Mediengesetz oder den Auflagen des Rundfunkgesetzes.
In der folgenden Darstellung soll überblicksmäßig gezeigt werden, wo welche ausländischen Privatradios bereits nach Österreich hereinstrahlen: (Die öffentlich-rechtlichen Anstalten wie jene der ARD, also etwa der Bayerische Rundfunk werden bei dieser Darstellung nicht berücksichtigt.)
• Nach Vorarlberg strahlen Radio Lindau, ein deutscher Privatsender, sowie einige Schweizer Lokalradios.
• In Tirol sind bis etwa zur Nordkette Radio Tirol, Radio Südtirol, RadioEisack, Radio Transalpin und andere in unterschiedlicher Stärke und Qualität empfangbar, in Osttirol zusätzlich die freie Welle Pustertal und andere.
• In Kärnten sind sowohl Sender aus dem Kanaltal, als auch aus der Region südlich von Osttirol empfangbar: Die stärksten sind Radio UNO, Radio Valcanale (Radio Ca-rinzia) und neuerdings Antenne Austria Süd. Manche dieser Sender sind auch in der Steiermark empfangbar, wobei dort eindeutig Radio MM 2, ein Sender aus Marburg, dominiert, den man im Grazer Raum, aber auch im Burgenland und im südlichen Niederösterreich tauglich auch im Auto in Stereo empfangen kann.
• Im Burgenland ist das ungarische Radio Danubius in weiten Teilen gut zu empfangen. Zweimal täglich schaltet das in den Wintermonaten ungarisch, im Sommer aber deutsch sendende Radio Danubius für je zwei Stunden zu Antenne Austria, genauer gesagt Antenne Austria gestaltet vier Stunden täglich eigenes Programm für Österreich. Dieses Programm ist auch in Teilen Wiens in unterschiedlicher Qualität zu hören, auch in Niederösterreich ist es im Osten und Nordosten empfangbar. Neu hinzukommen soll in Niederösterreich noch im März Radio CD, das von Preßburg aus auf einer eng neben Danubius befindlichen Frequenz nach Österreich senden will. Das Programm soll nach Aussagen seiner Betreiber bis Krems in Stereo und bis St. Pölten in Mono empfangbar sein. Gerüchteweise hört man, daß auch andere Gruppen Radios in der Tschechoslowakei aufbauen wollen.
• In Oberösterreich ist Antenne Bayern in vielen Bereichen gut zu empfangen, ebenso kleinere Privatradios in Grenzgebieten. Erreichbar wäre Oberösterreich auch von Brünn oder Prag aus, ähnlich wie in Niederösterreich hört man auch hier von Gruppen, die Planungen für grenznahe Radios haben.
• Salzburg liegt schließlich im Einzugsbereich der bayerischen Privatradios, Antenne Bayern kann im Norden gut empfangen werden.
Österreich ist also eingekreist: Wie reagieren die Hörer darauf?
Mit Ausnahme Kärntens hören noch rund drei Viertel der Österreicher ORF-Radio, allerdings auch ausländische Radiostationen. Vergleicht man die Tagesreichweiten von 0 3, das ja der wirkliche Mitbewerber der ähnlich gemachten ausländischen Privatradios ist, mit jenen ausländischer Sender, so zeigen sich in Kärnten, Tirol, Vorarlberg und der Steiermark die größten Reichweiten für ausländische Stationen (öffentlich-rechtliche und private zusammen).
Besser beurteilen kann man die tatsächlichen Reichweiten, wenn man die letzte Optima-Umf rage von Ende 1989 zur Hand nimmt:
Da fällt auf, daß im Vergleich zu Ö 3 generell noch nicht große Reichweiten erzielt werden. Die Tagesreichweite von Ö 3 bewegt sich bundesweit zwischen 30 und 40 Prozent; im Burgenland mit nur 24, Kärnten nur 28 und Wien dafür mehr als 56 Prozent Ö-3-Hörer wichen diese Werte allerdings deutlich ab.
Der stärkste Private, die Radio-UNO-Gruppe in Kärnten, von der allerdings jetzt wirtschaftliche Schwierigkeiten vermeldet werden, erreicht in Kärnten immerhin zehn Prozent Tagesreichweite, das heißt, zehn Prozent der Kärntner hören irgendeinmal am Tag Radio UNO. Im Süden sitzt auch Radio MM2 aus Marburg, das in der Steiermark fast 6,5 Prozent erzielt. Beachtliche Reichweiten erzielt wenige Wochen nach Sendebeginn bereits „Antenne Bayern" in Oberösterreich: Mit auf Anhieb fast fünf Prozent Reichweite konnten beachtliche Hörerzahlen angesprochen werden. Die meisten anderen Privaten kommen kaum über vier Prozent hinaus.
Faßt man zusammen, kann man also sagen: Österreich wird zunehmend von nur für Österreich sendenden oder zufällig nach Österreich einstrahlenden Privatradios eingeschlossen. Die Privatradios sind vom Programm wie von der Technik her besser und professioneller geworden, manche sind von herkömmlichen öffentlich-rechtlichen Anstalten in Qualität und Angebot nicht mehr zu unterscheiden, oder behaupten von sich, bereits besser zu sein.
Privatradio ist heute zumeist nicht mehr ein Synonym für rauschenden und krächzenden Empfang und stammelnden Moderatorenunsinn, sondern unterhaltendes und informatives Radio. Diese Entwicklung ist vor allem der Bundesrepublik Deutschland und den dortigen Radios zu verdanken.