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Großbritannien hat sich mit Wonne in einen Streit gestürzt, der gar kein Streit ist. Vielmehr handelt es sich um eine erfrischende geistige Auseinandersetzung. Wieder einmal geht es um Nützlichkeit und Kosten der Königin und der königlichen Familie. Die Debatte als solche ist weitgehend eine Fiktion von Presse und Rundfunk, die nach und nach den Anstrich scheinbarer Realität erhält. Großbritannien wird nicht entzweigerissen werden. Die Krone sitzt noch immer fest auf jenem gepflegten Haupt. Und Prinz Charles braucht um seine spätere Thronbesteigung nicht zu bangen.

Die Sache begann damit, daß Prinz Philip vor einigen Monaten im amerikanischen Fernsehen erklärte, die königliche Familie „gerate in die roten Zahlen“. Und kürzlich hat dann die Königin offiziell dem Parlament eine, wie es so heißt, „huldvolle Botschaft“ übermittelt, in der sie mehr Geld verlangte. Daraufhin wurde eine — natürlich „königliche“ — Kommission im Parlament eingesetzt, die feststellen soll, was sich in der Angelegenheit tun läßt. (Gewissenhaft ist auch ein stimmgewaltiger Republikaner mit einbezogen worden.)

Ganz sicher dürfte das finanzielle

Dasein der königlichen Familie erleichtert werden. Natürlich wird aber gegenwärtig jede Forderung nach Gehaltserhöhung in Großbritannien gewissermaßen als Sabotage gegen eine kränkelnde Wirtschaft angesehen, und so hat diese jüngste Forderung zwangsläufig Kommentare ausgelöst. Allerdings erstaunlich wenig echte Kritik.

Die Opposition operiert mit dem Argument, daß die Königin außer ihrer Apanage und ihren vom Staat unterhaltenen Palästen, Schlössern, Jachten, Flugzeugen und Hofbeamten ein immenses Privatvermögen besitzt. Nicht eingerechnet die riesige Kunstsammlung, die Bibliotheken, die Möbel von Museumswert, wovon nichts ohne Skandal verkauft werden könnte. Eingerechnet auch nicht die Kronjuwelen, die Eigentum der Nation sind. Hinzu gehört hingegen eine spektakuläre Sammlung persönlichen Schmucks.

Weiter kommen hinzu riesiger Landbesitz und massive Privatinvestitionen. Ein exzentrischer Geschäftsmann hinterließ Königin Victoria einst eine Million Pfund. Sie legte das Geld klug an, und alle ihre Nachfolger taten es ihr nach. Für königlichen Nachlaß brauchen keine hohen Erbschaftssteuern gezahlt werden, und die Königin zahlt nur einen kleinen Teil der Steuern, die der Normalbürger zu tragen hat.

Dieses Privatvermögen ist bislang nicht offiziell in die Beurteilung der Geldknappheit der Königin einkalkuliert worden.

Denn Reichtum und Status der Monarchie liegen irgendwie außerhalb der normalen Reichweite von Mißgunst und Neid. Der Glanz, der sie umgibt, ist Teil ihres Mechanismus.

Die meisten, die in der Öffentlichkeit über die Monarchie schreiben oder sprechen, scheinen sich einer speziellen, fast mystischen Sprache zu bedienen. Ihr Blick ist zuweilen von Loyalität getrübt, und sie sind zuweilen berauscht von der Geschichte. Und wohl das Unfreundlichste, was über sie geschrieben wurde, ist, daß sie die Goldfüllung in einem Mund voll fauler Zähne sei.

Denn ihre höchste Rechtfertigung besteht ja darin, daß sie funktioniert. Damit soll nicht gesagt sein, daß sie andernorts funktionieren könnte. Sie stellt einen nationalen Brennpunkt dar, der wirksamer ist als eine Flagge. Sie gewährleistet, daß die Spitze der Machtpyramide heute von einem Menschen ohne Ehrgeiz und im Grunde ohne faktische Macht besetzt ist. Das macht die Politiker des Tages entbehrlicher. Und es stellt sicher, daß die letzte Autorität nie bei einem einzigen Mann liegen kann. Die Monarchie bereitet sehr viel Freude und ermöglicht dem kleinen Mann das Gefühl, an der Würde des Staats teilzuhaben, denn obgleich Monarchie nicht demokratisch ist, durchbricht sie die normale Klassenstruktur.

Sie ist etwas Schönes. Sie ist gut für den Fremdenverkehr. Sie ist ein nützliches Werkzeug der Diplomatie und hilft enge Kontakte zu Ländern zu pflegen, die vielleicht sehr anders gelagerte Interessen haben. Sie ist ein wunderbares Instrument für Wohltätigkeits- und humanitäre Arbeit.

Sie jetzt zu zerstören, wäre ein Trauma und würde keine denkbare Einsparung lohnen, die dadurch vielleicht gewonnen werden könnte. Sie kann nicht eine reiche oder dynamische oder gerechte Gesellschaft garantieren. Sie kann weder eine ehrenhafte Außenpolitik noch Ruhe und Ordnung auf den Straßen garantieren. Aber sie gibt der Demokratie und der Herrschaft des Rechts einen zusätzlichen Schutz und zusätzliche Handlungsfreiheit. Und gerade jetzt verfügt sie über hervorragende Repräsentanten.

Die freilich ihre finanziellen Interessen zu wahren wissen und wie alle Reichen reicher und nicht ärmer werden wollen.

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