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Privatgespräche mit „oben”

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„Alte Menschen sind frömmer als junge, weil ihnen der Tod näher ist!” Das ist ein traditionelles Vorurteil, das mit Sicherheit nicht richtig ist, meint Magister Friedrich Schlein- zer, Assistent am Institut für Pastoraltheologie der Universität Salzburg. Der Theologe stützt sich dabei auf eine von ihm im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführten Fallstudie in zwei Salzburger Altenheimen. Hier sprach Schlein- zer mit 130 Bewohnern über ihre religiöse Einstellung und ihre soziale Situation.

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„Alte Menschen sind frömmer als junge, weil ihnen der Tod näher ist!” Das ist ein traditionelles Vorurteil, das mit Sicherheit nicht richtig ist, meint Magister Friedrich Schlein- zer, Assistent am Institut für Pastoraltheologie der Universität Salzburg. Der Theologe stützt sich dabei auf eine von ihm im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführten Fallstudie in zwei Salzburger Altenheimen. Hier sprach Schlein- zer mit 130 Bewohnern über ihre religiöse Einstellung und ihre soziale Situation.

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Eines der Hauptergebnisse dieser Gespräche war: Nur etwas über die Hälfte der befragten Senioren glaubt, daß es einen Gott und ein Fortleben nach dem Tod gibt. Die andere Hälfte erklärt: Gott existiert für mich nicht! Nach dem Tod ist alles aus!

Dabei fällt auf, daß der Glaube an Gott, an ein Höheres Wesen, quer durch die Reihen sowohl der kirchenverbunden als auch der kirchen- fem lebenden Menschen geht. Keineswegs alle, die der Kirche nahestehen, sind sich auch der Existenz Gottes sicher. Anderseits sind gar nicht so wenige von jenen alten Menschen, die kaum je in ihrem Leben eine Kirche besucht haben, davon überzeugt, daß es Gott gibt, daß unser Dasein nicht mit dem Tode endet.

Doch trotz eiller Zweifel, die die Befragten hegen, beten viele von ihnen. Acht bis neun von zehn alten Menschen, die der Theologe in den Altenheimen sprach, geben an, daß sie Beten für sinnvoll halten. Nur etwa einer von zehn meint: Beten hat keinen Sinn.

Hauptinhalt der Gebete der Senioren sind persönliche Sorgen und Nöte, Bitte und Dank und vor allem auch das Bedürfnis, sich im stillen manches von der Seele zu reden.

Die großen Gebetsanliegen der Kirche, wie etwa die Bitte um Frieden in der Welt, die Fürbitte für Hungernde und Unterdrückte, spielen in diesen „Privatgesprächen” mit einem höheren „Du” nur eine relativ geringe Rolle. Dazu meint Schlein- zer:

„Vielleicht wäre es möglich, durch entsprechende Anregung gerade auch die alten Menschen dafür zu gewinnen, im Gebet über die engen Grenzen des eigenen Lebens etwas hinauszublicken.

Immerhin, so ergab die Befragung weiter, wäre es ganz falsch, anzunehmen, daß sich die Menschen im Altenheim ohnehin für gar nichts mehr interessieren, was auf der Welt passiert. Künftiges Geschehen, so zeigte sich in den Gesprächen, ist sogar eines der zentralen Themen, um das die Gedanken der Alten kreisen.

Und zwar ist in der Zukunft, an die man denkt, durchaus noch recht viel Diesseitiges enthalten. Man hat mit dem Leben auf dieser Welt eben noch nicht abgeschlossen, auch wenn sich die Frage nach einer Zukunft im Jenseits zwangsläufig immer wieder aufdrängt. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht dabei die Frage: Was hat dieses Künftige, das noch auf mich wartet, für einen Sinn für mich?

Etwas, das der Theologe bei seiner Alten-Studie noch herausfand, bietet sich als direkter Ansatzpunkt für die praktische Seelsorgearbeit an. Mit dem Umzug ins Altenheim, den etwa ein Viertel der Befragten voll Angst und nur unter dem Zwang der äußeren Umstände antritt, verlassen die alten Menschen nicht nur ihr gewohntes Heim, ihre vertraute Nachbarschaft, sondern sie verlieren, so je vorhanden, meist auch noch die Bindung an ihre angestammte Kirchengemeinde.

Das könnte vielleicht ein regelmäßiger Besuchsdienst verhindern, bei dem die Altenheimbewohner durch den bisherigen Gemeindepfarrer, aber auch durch engagierte Laientheologen, durch kirchliche Sozialhelfer, durch die einstigen Nachbarn oder durch jedes Mitglied der angestammten Gemeinde regelmäßig aufgesucht werden sollten.

Wie nötig viele alte Menschen solche Besuche tatsächlich brauchen, zeigte bereits 1975 eine Alten-Befra- gung in Salzburg. Jeder dritte Besucher eines Altenklubs gab auf entsprechende Fragen an: „Ich habe überhaupt niemanden, mit dem ich über meine Probleme reden kann.”

Zu seiner Arbeit stellt Mag. Schleinzer abschließend fest: „Ich möchte mit meiner wissenschaftlichen Studie in die Praxis wirken. Die in den Altenheimen vorgenommene Erhebung des Ist-Zustandes soll möglichst zu Konsequenzen in Form einer Verbesserung der Seelsorge mit alten Menschen führen.”

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