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PRIVATSCHULEN IN DEUTSCHLAND

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Hin und wieder geraten sie in die Schlagzeilen, die Privat- oder Ersatzschulen. Und zwar immer dann, wenn wieder einmal eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung versucht, den Rotstift anzusetzen und laut über die Finanzierung der sogenannten Privatschulen nachdenkt. In Nordrhein-Westfalen ist das schon mehrmals so geschehen, aber immer wieder ohne „Erfolg" für die entsprechenden SPD-Politiker. So wollte vor zehn Jahren die nordrhein-westfäli-sche SPD-Regierung im Haushaltsfinanzierungsgesetz die öffentlichen Zuschüsse im Bereich der Baukosten kürzen. Doch die CDU-Fraktion des Landtages klagte beim Verfassungsgericht in Münster-und gewann. Das zuständige Verfassungsgericht stellte nämlich fest: Ein solches Finanzierungsgesetz ist verfassungswidrig.

Tatsächlich genießen die Privatschulen in Deutschland einen besonderen Schutz. In den meisten Landesverfassungen spiegelt sich wider, was im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert ist. Dort heißt es in Artikel 7 zunächst, daß das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht und im Rahmen der Kulturhoheit alle übrigen Gestaltungskompetenzen bei den Ländern liegen. Bei den Privatschulen macht die deutsche Verfassung, die seit der Vereinigung vom 3. Oktober 1989 auch im Osten des Landes gilt, eine Ausnahme.

Ausdrücklich wird das Recht be-tont, private Schulen zu errichten. Sie bedürfen „als Ersatz für öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird". Und weil sie Ersatz für öffentliche Schulen sein können, haben sie einen Anspruch auf öffentliche Zuschüsse nach den Bestimmungen des jeweiligen Landesgesetzes.

Der Freistaat Bayern zum Beispiel hat die grundgesetzlichen Bestimmungen teilweise wörtlich übernommen und in seiner Verfassung erklärt, daß Ersatzschulen „nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden" sollen. „Oberste Bildungsziele" sind hier die Vermittlung von, JEhrf urcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen". Und was die Finanzierung betrifft, sagt die Landesverfassung in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel: „Die (...) Privatschulen haben die gleichen Berechtigungen wie die öffentlichen Schulen. Sie haben Anspruch auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse."In Deutschland genießen die Privatschulen einen guten Ruf. Allein in katholischer Trägerschaft befinden sich mehr als 1.000 Schulen in Deutschland, darunter rund 200 Gymnasien. Die Schulen in freier Trägerschaft, wie sieoffiziell bezeichnet werden, nehmen das Freiheitsrecht zur Gestaltung von Erziehung und Bildung in Anspruch. Was unterscheidet, so wird natürlich auch in Deutschland immer wieder gefragt, eine katholische Schule von einer anderen? Was ist ihr Auftrag? Woran kann man sie erkennen? Warum legt die katholische Kirche einen so großen Wert auf die Trägerschaft?

Antworten lassen sich in zahlreichen kirchlichen Dokumenten finden. Unter anderem in einer Erklärung der Kongregation für das katholische Bildungswesen zur katholischen Schule vom 19. März 1977. Dort heißt es: „Die Sendung der Kirche ist es (...), das Evangelium zu verkünden, das heißt allen die Frohe Botschaft des Heils kundzutun, in der Taufe die Menschen neu zu schaffen und sie heranzubilden, bewußt als Kinder Gottes zu leben (...) In Erfüllung dieser Heilsaufgabe gründet die Kirche ihre eigenen Schulen, denn sie sieht in ihnen ein vorzügliches Mittel zur ganzheitlichen Ausbildung des Menschen, insofern sie tatsächlich eine Stätte sind, an der eine spezifische Auffassung von der Welt, dem Menschen und der Geschichte erarbeitet und übermittelt wird."Befragt, warum Eltern ihre Kinder zum Beispiel auf ein katholisches Gymnasium schicken, erhält man häufig ähnlich klingende Antworten. Nicht zu Unrecht gelten sie nämlich als Bildungsstätten, in denen besonders auf eine erzieherische Verbindung von Sachwissen und Grund wert-bewußtsein geachtet wird. Und nicht zufällig gelten Schulen wie beispielsweise das von den Jesuiten geführte Aloisiuskolleg in Bad Godesberg als besonders qualifiziert und besonders motivierend für Schüler. An vielen Privatschulen ist zu spüren, daß sie nicht nur von einem ganzheitlichen Menschenbild ausgehen, sondern auch den Ehrgeiz pflegen, besser als öffentliche Schulen zu sein.

Katholische Schule in freier Trägerschaft - das bedeutet immer auch: eine gute Schule sein wollen. Dabei lautet das Ziel nicht selten, eine SynL these von Kultur und Glauben sowie eine Synthese von Glauben und Leben zu schaffen. Schüler sollen die Fähigkeit erwerben, die Wirklichkeit zu sehen, wie sie ist, und sich mit ihr kritisch auseinanderzusetzen. Vielleicht liegt darin der Grund, warum Politiker aller Parteien ihre eigenen Kinder bevorzugt auf katholische Schulen schicken. Übrigens auch jene, die sich in ihrer Partei hin und wieder dadurch profilieren wollen, daß sie bei der Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft sparen wollen. Konkrete Lebensweisheiten und postulierte Politik gehen halt manchmal verschiedene Wege.

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