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Probe auf die Apartheid
Als erste Frucht ihrer Apartheidpolitik hat die Republik Südafrika am 26. Oktober ein Gebiet etwa in der Größe der Schweiz von ihrem Territorium abgetrennt und unter dem Namen „Transkei“ in die Unabhängigkeit entlassen. Die Kritiker Südafrikas nennen-diese Unabhängigkeit eine Farce, ein Manöver, das nur dazu diene, der Welt Sand in die Augen zu streuen und die weiße Vorherrschaft in der Republik zu zementieren.
Als erste Frucht ihrer Apartheidpolitik hat die Republik Südafrika am 26. Oktober ein Gebiet etwa in der Größe der Schweiz von ihrem Territorium abgetrennt und unter dem Namen „Transkei“ in die Unabhängigkeit entlassen. Die Kritiker Südafrikas nennen-diese Unabhängigkeit eine Farce, ein Manöver, das nur dazu diene, der Welt Sand in die Augen zu streuen und die weiße Vorherrschaft in der Republik zu zementieren.
In der Tat äst die Unabhängigkeit der Transkei die entscheidende Feuerprobe für die politische Ideologie Südafrikas, für die Politik der „getrennten Entwicktalg“. Auf Grund dieser Politik sollen die verschiedenen Bantu-Gruppen im Gebiet Südafrikas zunächst zu innerer Selbstverwaltung und schließlich zur Unabhängigkeit geführt werden.
Transkei ist das erste von neun Bantu-,.Heimatländern“ oder „Ran-tustans“, das solcherart seine Unabhängigkeit erlangt. In einer Zeit des wachsenden und zunehmend radikaler werdenden schwänzen Nationalismus trachtet Südafrika, diesen internen „Entkolonisierungsproeeß“ zu beschleunigen. Doch nur dann, wenn sich das Modell Transkei bewährt, besteht eine Chance für die planmäßige Heranführung auch der anderen an die Unabhängigkeit.
Südafrika hat sich dieses Modell eine Menge kosten lassen: Seit 1963, als die Transkei innere Selbstverwaltung erhielt, wurden 7,5 Milliarden Schilling in die wirtschaftliche und politische Entwicklung dieses „Heimatlandes“ investiert. Auch in die Entwicklung der übrigen Bantu-stanis flössen und fließen riesige Summen. Premierminister Vorster argumentiert in diesem Zusammenhang, daß Südafrika allein in der Zeit von 1962 bis 1972 mehr als das Doppelte zur Förderung der schwarzen „Heimatländer“ ausgegeben habe als die UN in der gleichen Zeit für 38 Entwicklungsländer. Für die Industrialisierung und landwirtschaftliche Entwicklung der Transkei wird das „Mutterland“ auch nach dem Tag der Unabhängigkeit noch für lange Zeit viele Millionen zuschießen müssen.
Regierungschef des neuen Staates Transkei, des )rHeimatlandes“ der Xhosa-Stämme, ist der Oberhäuptling Kaiser Daliiwonga Matanzima. Unter den schwarzen Nationalisten gut er als Söldling der Weißen. Von seiner Haltung wird es vor allem abhängen, die Unabhängigkeit, zumindest die politische, international glaubhaft zu machen. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, daß er nicht die Absicht hat, sich nach dem 26. Oktober von Pretoria an die Leine legen zu lassen.
In der Frage der Staatsbürgerschaft der außerhalb der Transkei lebenden Xhosa kam es zwischen Matanzima und Pretoria zu keiner Einigung. Nach Südafrikas Absicht sollen diese nach dem 26. Oktober automatisch zu Staatsbürgern Trans-keis werden, während Matanzima erklärte, daß es diesen zum Teil schon seit Generationen im „weißen“ Südafrika ansässigen Schwarzen freigestellt werden solle, Staatsbürger Transkeis zu werden.
Auch versprach er, daß jede Form der Rassendiskriminierung oder Apartheid am 26. Oktober abgeschafft würde. Wenn die 60.000 Weißen, die in der Transkei leben, die südafrikanische Staatsbürgerschaft aufgeben und Bürger der Transkei werden wollen, so würden sie volle Bürgerrechte genießen. Ihre aktive Mitarbeit in Politik und Wirtschaft werde willkommen sein. Es stünde ihnen jedoch frei, zu wählen.
Matanaimas politische Unabhängigkeit vom „Mutterland“, seine Freiheit, sich mit Pretoria anzulegen, wird nur eine sehr beschränkte sein, bedenkt man das enorme Ausmaß der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Transkei von Südafrika.
Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung der Souveränität eines Staates zählt üblicherweise der Nachweis der Fähigkeit, eine stabile Regierung zu bilden. Dieser scheint im Falle der Transkei erbracht zu sein: Seit der Gewährung der inneren Selbstverwaltung 1963 wurden die Verfahrensregeln einer Demokratie nach Westminstermodell eingeübt. Demgemäß ist die neue Verfassung der Transkei mit nur geringfügigen Adaptierungen ein Spiegelbild der Verfassung Südafrikas.
Im Parlament von Umtata, der Hauptstadt des neuen Staates, wird es 150 Abgeordnete geben, 75 ernannte und 75 gewählte. Die nominierten Abgeordneten sind Häuptlinge und lokale Stammesälteste. Diese „Häuptlingskammer“ gibt die Gewähr dafür, daß der traditionalistisch-konservative Einfluß in der Volksvertretung auch in Zukunft erhalten bleibt. Transkei wird also ein konservativer afrikanischer Staat sein.
Kann man jedoch einen Staat als souverän bezeichnen, der wie Transkei in einem so hohem Ausmaß wirtschaftlich von einem anderen Staat abhängig ist? Kritiker von Südafrikas Bantustan-Politik bezeichnen Transkei als einen Staat von Gastarbeitern. Die Bevölkerungszahl beträgt drei Millionen, doch nur etwas mehr als die Hälfte davon lebt in der Transkei. Der Rest, 83 Prozent der männlichen Erwachsenen, muß im „weißen“ Südafrika seinen Lebensunterhalt verdienen. Deshalb hat auch die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Entwicklungsplanung der Transkei absoluten Vorrang. •
Die bisherigen Industrialisierungs-bemühungen haben nur geringen Erfolg gehabt. Das Land ist fruchtbar, doch die Anbaumethoden sind mittelalterlich. Es bedürfte einer Agrarrevolution, um die Landwirtschaft, in der zweifellos das größte Wirtschaftspotential der Transkei steckt, vom gegenwärtigen Subsistenz-niveau zu einer modernen Marktwirtschaft zu entwickeln. 70 Prozent des Nationaleinkommens stammen aus jenen Beträgen, die von den Transkei-Gastarbeitern in Südafrika nach Hause überwiesen werden.
Zusätzlich zu den großen Summen, die weiterhin von Südafrika in die Entwicklung der Transkei investiert wenden, hofft man in Umtata, daß die westlichen Industrieländer durch Investitionen beim Aufbau der Wirtschaft mithelfen werden. Investoren finden beachtliche Vergünstigungen, von denen vor allem die westdeutsche Privatindustrie bereits Gebrauch macht.
Südafrika bemüht sich durch Statistiken, die Lebensfähigkeit und das Potential Transkeis zu beweisen. So wird etwa mit Daten belegt, daß Transkei ein größeres Pro-Kopf-Einkommen besitzt als 27, ein höheres Erziehungsniveau als 31 Mitgliedstaaten der UNO; die Transkei wirtschaftlich gesünder sei als die ehemaligen britischen Protektorate Botswana, Swaziland und Lesotho. Sogar Mozambique könnte nicht ohne die Beiträge überleben, die von seinen in den Bergwerken rund um Johannesburg arbeitenden Staatsbürgern überwiesen werden. Gerade das marxistische Mozambique ist der schärfste Kritiker Südafrikas in den UN.
Hier stellt sich die heikle Frage der Anerkennung des neuen Staates durch die internationale Staatengemeinschaft, durch die UNO und die OAU. Denn anerkennt man die Unabhängigkeit Transkeis, so sanktioniert man indirekt die Apartheidpolitik Südafrikas. Sowohl die UNO wie auch die OAU haben bereits angedeutet, daß sie die Republik Transkeis nicht anerkennen werden.
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