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Zwischenbilanz der Schulversuche an AHS und Pflichtschulen: Welche neuen Modelle haben sich bewahrt, was wird heute vorwie-gend erprobt?

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Zwischenbilanz der Schulversuche an AHS und Pflichtschulen: Welche neuen Modelle haben sich bewahrt, was wird heute vorwie-gend erprobt?

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Wer bei Schulversuchen nur an die Ganztagsschule oder an die gemein-same Schule der Zehn- bis Vierzehnjahrigen denkt, wer dabei nur besser dotierte Lehrer und unter moglichst optimalen - vom normalen Schulall-tag abgehobenen - Bedingungen er-probte padagogische Modelle vor Augen hat, kennt nur die eine - und weniger aktuelle - Seite der Medaille.

Heute gibt es eine Vielfalt von Versuchen fiir alle Altersstufen und Schularten des allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulwesens. Grundsatzlich sollten davon maximal fiinf Prozent (in Ausnahmefallen auch bis zu zehn oder - bei Integration von Behinderten -sogar zwanzig Prozent) der Klassen betroffen sein. Ob sie ins Regelschulwesen ubernommen werden konnen, hangt nicht nur von den Bildungspolitikern, sondern auch vom Finanzminister ab.

Die „Autonomie” wird als Chance gesehen, etliche Schulversuche iiber-fliissig zu machen. Manche Kritiker argwohnen aber, daB die einzelnen

Schulen ohne Bereitstellung der noti-gen finanziellen Mittel nur zur „Ver-waltung des Mangels” herhalten und keine groBen Spriinge in Richtung einer „Profilentwicklung” machen konnen.

Grundschule: Vorschulstufe

„Schulversuche sollten sehr nahe an der sonstigen Realitat ablaufen”, betont Wilhelm Wolf, Leiter der fiir den Pflichtschulbereich zustandigen Abteilung im Unterrichtsministerium. Seiner Meinung nach sollte man keine besonderen Bedingungen schaffen und nur echte Mehrarbeit honorieren. Die meisten heutigen Versuche im Bereich der Grundschule boteri keine zusatzlichen finanziellen Anreize.

Wolf nennt fiir die Grundschule als wichtigste auf Versuchen beruhende Neueinfuhrungen: die Vorschulstufe (im stadtischen Bereich Vorschulklas-sen, im landlichen Bereich Vorschul-gruppen) und die lebende Fremdspra-che ab der dritten Schulstufe. Ge-scheitert ist der Versuch mit Leistungs-gruppen am Ende der Grundschule.

Fiir die Zukunft erwartet Wolf eine weitere Verstarkung der lebenden Fremdsprache (hier laufen schon Versuche ab der ersten Schulstufe) und eine flexiblere Schuleingangs-

■ phase: Derzeit steht die Vorschulstufe nur zuriickgestellten Kindern of-fen, man konnte ermoglichen, Kinder direkt dafiir anzumelden, um ihnen das MiBerfolgserlebnis einer Riick-stellung zu ersparen.

Schulversuche und Schulautonomie sollten in der Volksschule „behut-sam” vorgenommen werden, meint Wolf. Es sollte moglich sein, sich in einem Rahmen zu bewegen, aber es miisse hier doch ein deutlicher Rahmen erhalten bleiben. In den Pflicht-gegenstanden sei eine solche Schwer-punktsetzung wie in der Mittelstufe nicht denkbar, die „Profilbildung” der einzelnen Schule miiBte in der Grundschule bei den unverbindlichen Ubun-gen ansetzen.

Hauptschule ist „bunter”

„Bunter” als in anderen Schularten geht es laut Richard Stockhammer vom Unterrichtsministerium in der Hauptschule zu. Er meint, mehr als die Halfte dessen, was jetzt als „Schul-versuch” lauft, konnte in Zukunft von der Schule in „Schulautonomie” durchgefiihrt werden. Die Schulbe-horden muBten nur noch informiert, aber nicht mehr um Genehmigung ersucht werden.

Schon in der Vergangenheit haben immer wieder neue Lehrplane, die den Schulen eine Erweiterung ihrer Freifacher-Angebotspalette ermbg-lichten, bisherige Schulversuche iiberfliissig gemacht. Stockhammer nennt hier besonders die Bereiche Landeskunde, Projektunterricht und Interessen- und Begabungsforderung, aber auch die Moglichkeit zu einer zweiten Fremdsprache und zu „Be-rufsorientierung und Bildungsinfor-mation”.

Die auf Schulversuchen basierende „Neue Hauptschule” hat Englisch (friiher nur im ersten Klassenzug unterrichtet) als Pflichtfach fiir alle im Lehrplan, das damit verbundene System der Leistungsgruppen sei „diskussionswiirdig”, sagt Stockhammer. Es habe sich als Nachteil erwie-sen, wenn Schiilergruppen zu homo-gen sind, weil dann die Vorbildwir-kung fehle. Neue Schulversuche gehen in die Richtung von Binnendifferen-zierung innerhalb eines Klassenver-bandes.

AHS: Oberstufenreform

Lebende Fremdsprachen und Infor-matik sind derzeit die „Renner” unter den Schulversuchen in der AHS, be-richtet die fiir diesen Bereich zustandige Ministerialratin Hermine Dobrozemsky, verweist aber auch auf inter-essante naturwissenschaftliche Schwerpunkte an einzelnen Schulen. Manche Versuche konnten durch die Autonomic iiberfliissig werden, so-fern die jeweiligen Budgets und Stun-denkontingente die notigen Voraus-setzungen bieten.

Wichtigste bisherige Frucht der AHS-Schulversuche war die Oberstufenreform, die eine Kombination von drei verschiedenen, iiber mehrere Jahre erprobten Modellen darstellt. Ab der sechsten Klasse konnen die Schiiler „Wahlpflichtfacher” belegen und damit nach ihrem Geschmack eine bestimmte Stundenzahl dazu nutzen, Zusatzliches (zum Beispiel Informatik oder eine weitere Fremdsprache) zu erlernen oder ihr Wissn in „normalen Pflichtfachern” zu ver-tiefen.

Nicht ins Regelschulwesen ubernommen wurde dabei die Moglichkeit der vorgezogenen Matura. Wohl aber wurde die Reifepriifung dahin-gehend reformiert, daB seit dem Schul-jahr 1992/93 moglich ist, (statt einer der vier schriftlichen Klausurarbei-ten) eine Fachbereichsarbeit zu schrei-ben oder miindlich eine „facheriiber-greifende” oder „vertiefende” Schwer-punktpriifung abzulegen.

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