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Probleme der Sparförderung

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In der modernen Industriegesellschaft kommt dem Sparen eine zentrale ökonomische und soziale Funktion zu. Sparneigung und Sparfähigkeit der Bürger bestimmen entscheidend die Einkommens- und Vermögensverteilung, insbesondere Art und Umfang der öffentlichen und privaten Investitionen. Sparen und Investieren sind wesentliche Determinanten der Konjunktur- und Finanzpolitik und damit ein zentrales Steuerungselement in der Volkswirtschaft.

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In der modernen Industriegesellschaft kommt dem Sparen eine zentrale ökonomische und soziale Funktion zu. Sparneigung und Sparfähigkeit der Bürger bestimmen entscheidend die Einkommens- und Vermögensverteilung, insbesondere Art und Umfang der öffentlichen und privaten Investitionen. Sparen und Investieren sind wesentliche Determinanten der Konjunktur- und Finanzpolitik und damit ein zentrales Steuerungselement in der Volkswirtschaft.

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Die nachhaltige Förderung des Sparens der privaten Haushalte ist auch gesellschafts- und staatspolitisch wichtig, weil im modernen Industriestaat eine breite Erspamisbil- dung und Streuung des Eigentums, insbesondere bei den Arbeitnehmern, einen wirksamen politischen Stabilisator bildet.

Unabhängig von den persönlichen Motiven des Sparens wird die Sparmöglichkeit von der Höhe des Einkommens bestimmt. Die persönliche Sparquote nimmt mit steigendem Einkommen stark zu und führt bei hohen Einkommen ohne bestimmtes Sparmotiv zu einem automatischen Sparen und damit zu zusätzlichem Einkommen und Vermögen.

Hoher Lebensstandard und steigende Realeinkommen als Folge der konsequenten Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung und einer gesamtwirtschaftlich ausgerichteten Einkommenspolitik der Gewerkschaften haben in diesem Jahrzehnt ein eindrucksvolles Wachstum der privaten Ersparnisse hervorgerufen. So sind zwischen 1970 und 1979 die Spareinlagen von 130 Milliarden auf 480 Milliarden Schilling gewachsen. Im selben Zeitraum hat sich die Nettokapitalbildung von 30 Milliarden auf 100 Milliarden Schilling erhöht und auch die Leistungsfähigkeit des österreichischen Kapitalmarktes hať eine steile Aufwärtsentwicklung genommen.

Das Brutto-Emissionsvolumen ist von 11 Milliarden Schilling im Jahre 1970 auf 85 Milliarden in diesem Jahr gestiegen. Heute zählt das Wertpapier, das bis weit in die Zweite Republik hinein nur die bevorzugte Veranlagung der Bezieher hoher und höchster Einkommen war, auch für breitere Bevölkerungskreise als interessante und zugängliche Sparform. Etwa 5 Prozent der Österreicher besitzen bereits Wertpapiere, meist Anleihen oder Pfandbriefe.

Sparen ist realer Ausdruck des Vertrauens in die Zukunft, jn die Wertbeständigkeit des Schillings und in die Leistungskraft der inländischen Wirtschaft. Fast alle Österreicher bedienen sich eines Kredituntemeh- mens, wobei ein Drittel sogar gleichzeitig mit zwei oder mehreren Kre- dituntemehmungen in Geschäftsverbindung steht. Daß dabei das allen schon von Jugend bestens vertraute Sparbuch bei weitem an der Spitze liegt, überrascht nicht.

Nach einer jüngst durchgeführten Marktuntersuchung haben bereits 73 Prozent der Österreicher ein Sparbuch, unter den längerfristigen Sparformen sind das Bausparen und das Prämiensparen stark verbreitet. 26 Prozent aller Österreicher haben einen Bausparvertrag und 20 Prozent einen Prämiensparvertrag, wobei der gesetzlich zulässige Förderungsrahmen jeweils weitgehend ausgenützt wird.

Diese gesamtwirtschaftlich äußerst erfreuliche Entwicklung ist wesentlich der staatlichen Sparförderung zu verdanken. Wie in den meisten europäischen Staaten hatten auch die österreichischen Sparer durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse den größten Teil ihrer Ersparnisse verloren. Auch in der ersten Phase des Wiederaufbaues waren dem privaten Sparen enge Grenzen gesetzt, weil der Großteil der Einkommen zur Finanzierung des Lebensunterhaltes und der Beseiti-

gung der Kriegsschäden verwendet werden mußte. Erst nach der Stabilisierung der österreichischen Wirtschaft und während des anhaltenden Konjunkturaufschwungs in den fünfziger Jahren kam es zum starken Aufbau der privaten Ersparnisse.

Das Sparbegünstigungsgesetz 1953 bildet den Ausgangspunkt für die österreichische Sparförderung, die in der Folgezeit international beispielgebend wurde. 1958 wurde die zunächst nur für Unselbständige mögliche, betragsbegrenzte steuerliche Begünstigung des Erwerbs inländischer festverzinslicher Wertpapiere eingeführt, die ab 1968 schrittweise auch auf die übrigen Steuerpflichtigen ausgedehnt wurde.

Das Prämiensparen wurde 1963 geschaffen, während die bereits im deutschen Einkommensteuerrecht vorhandene steuerliche Sonderausgabenbegünstigung des Bau- und Versicherungssparens im System lange unverändert blieb.

Die Sparförderung wurde in einer Zeit geringer privater Sparkapitalsbildung, eines überdurchschnittlich hohen Investitionsfinanzierungsbedarfs, hoher Inflationsraten und niedriger Realverzinsung eingeführt oder ausgebaut. Langfristig sollte allerdings nur so viel gespart werden, wie neues Realkapital für Investitionen benötigt wird.

Steigen die privaten Ersparnisse über die Investitionsrate, dann ist wegen dieser neuen ökonomischen Ausgangslage der hohe Einsatz öffentlicher Mittel für die private Sparförderung weder konjunkturell noch budgetär vertretbar. Das System und der Umfang der staatlichen Sparförderung müssen daher periodisch an die geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse und künftigen Entwicklungen angepaßt werden, ohne dabei das Sparklima und die Sparneigung zu beeinträchtigen.

Selbst wohlabgewogene und zielorientierte Förderungen tendieren dazu, Dauersubventionen zu werden, an welche sich die Nutznießer so sehr gewöhnen, daß sie den ursprünglichen Zweck völlig vergessen und die seinerzeit unter ganz anderen ökonomischen Bedingungen eingeführte Förderung als wohlerworbenes Recht auf Dauer beanspruchen. Um Unverständnis, Uneinsichtigkeit und politischer Polemik entgegenzutreten, bedarf es einer zeitraubenden

Bewußtseinsbildung, bis die Richtigkeit und Notwendigkeit einer solchen Maßnahme anerkannt und später für selbstverständlich gehalten wird.

Mit dem Sinken der Inflationsrate auf ein im internationalen Vergleich heute außerordentlich niedriges Niveau kann die Sparförderung nunmehr in Etappen den neuen Stabilitätsbedingungen angepaßt werden. Auch ist es im Interesse der öffentlichen Haushalte nicht vertretbar, diese so stark mit ständig wachsenden Ausgaben aus dem Titel der Sparförderung zu belasten.

Gleiche Startbedingungen für die einzelnen Sparformen führten zur Umstellung der Bausparförderung auf das Prämiensystem. Dabei wurde wegen der außerordentlich hohen Bedeutung der Wohnraumfinanzierung 1973 eine sehr hohe Prämie gewährt, die einen stark steigenden Zuwachs der Bauspareinlagen auslöste und damit wesentlich zur Sicherung der Wohnungsfinanzierung zu äußerst günstigen Bedingungen beitrug. t

In der Folgezeit wurde die Sparförderung insgesamt stärker auf die Zinsenstruktur und die Dauer der Kapitalbindung abgestellt. Wie erfolgreich diese Politik war, beweisen die hohen Nettozeichnungen der Inländer seit dem schrittweisen Abbau und nunmehr gänzlichen Wegfall der Wertpapierförderung.

Durch die Sparförderung ist der Sparer insgesamt viel beweglicher und selbstbewußter geworden. Bei der international bemerkenswert niedrigen Inflationsrate von knapp über 3 Prozent ist eine mehr als fünf Milliarden Schilling Budgetmittel erfordernde Dauersubvention, die den Begünstigten eine Realverzinsung bis zu 9 Prozent pro Jahr ermöglichen würde, nicht länger zu vertreten. Auch nach dem 1. Jänner 1980 wird die Realverzinsung der privaten Ersparnisse in Österreich deutlich über dem internationalen Durchschnitt liegen. Die beste Sparförderung ist und bleibt eine florierende Wirtschaft und eine stabile Währung, wofür die Bundesregierung in Vergangenheit und Gegenwart unter oft erschwerten außerwirtschaftlichen Bedingungen durch eine gezielte, wohl abgestimmte Wirtschaftspolitik gesorgt hat und dafür auch in Zukunft alle ihre Kräfte einsetzen wird.

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