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Probleme der Wr. Symphoniker

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Es mag merkwürdig erscheinen, nach einem so gelungenen Konzert wie dem letzten im Zyklus „Internationale Chor- und Orchesterkonzerte“, der von der Gesellschaft der Musikfreunde veranstaltet wird, von Schwierigkeiten und Problemen eines Orchesters zu sprechen, das vom Publikum überaus herzlich und langanhaltend gefeiert wurde.

Zu welchen hervorragenden Leistungen dieses Ensemble fähig ist, erlebten und erleben wir immer wieder. Aber es sind die Wiener Symphoniker, wie übrigens fast alle Orchester in der ganzen Welt, so gut wie die Dirigenten, die sie betreuen, und wenn gerade dieses Orchester in die richtigen Hände kommt, kann es Spitzenklasse werden, nicht zuletzt dank der Qualität von Carlo Maria Giulini.

Bald nach 1945 war „nominell“ Hans Swarowisky der künstlerische Leiter. Zehn Jahre lang, etwa von 1950 bis 1960, hat Kara-jan es betreut, hat fünf bis sieben wiederholt gespielte Programme pro Saison einstudiert und ist mit dem Orchester auch auf Tournee gegangen. Danach standen Krips, Maazel und Sawallisch als Nachfolger Karajans zur Wahl, und man entschied sich für den letzteren, der zehn Jahre lang Chefdirigent des Orchesters war.

Im Herbst 1973 übernahm diese Funktion, laut dem bereits im Februar abgeschlossenen Vertrag, Carlo Maria Giulini, dessen Ernennung wir lebhaft begrüßten. Und in der Tat hat sich seine Tätigkeit in jeder Hinsicht positiv ausgewirkt, sowohl in pädagogischer Hinsicht wie auch auf die Programmgestaltung, soweit er darauf Einfluß hatte. Vor allem — und natürlich — bei jedem einzelnen Konzert.

Giulini ist nämlich ein sehr genau profilierter Musiker mit unverkennbar eigener „Handschrift“, sensibel, gewissenhaft, ein hervorragender Orchesterleiter, dessen elegante Erscheinung auch rein optisch zu erfreuen vermag. (Doch darauf kommt es am wenigsten an). Einige weitere Jahre der Zusammenarbeit mit diesem geradezu idealen Dirigenten hätten dem Orchester zu großem Vorteil gereicht. Aber Giulini wird seine Funktion nur noch bis zum Ende dieser Saison ausüben,er wird zwar vor der abgelaufenen Frist und danach noch einige Konzerte dirigieren. Danach aber wird man sich vor die Frage gestellt sehen, wie es weitergehen soll...

Hierüber — und das ist das Schwierigste an der ganzen Angelegenheit — hat das Orchester selbst am wenigsten zu bestimmen. Denn im Vorstand des „Vereins Wiener Symphoniker“ ist das Orchester nur durch ein einziges Mitglied, eine Art Betriebsratsobmann, vertreten. Bei allen wesentlichen Fragen hat es nicht mitzuentscheiden, kaum mitzureden, denn es wird vom Kulturamt der Gemeinde Wien verwaltet, vermietet (an die Gesellschaft der Musikfreunde zum Beispiel) und je nach Bedarf auch im Wiener Sommerprogramm oder in Bregenz eingesetzt.

Die Qualität des Orchesters und seines Dirigenten konnte man in Hindemiths dreiteiliger Symphonie „Mathis der Maler“ aus dem Jahre 1934 (die Oper konnte ja erst vier Jahre später in Zürich uraufgeführt werden) bewundern, seine Konzentration und Bemühung bei der Begleitung des Singvereins und der vorzüglichen Solisten Arroyo, Fassbaender,Lu-chetti und Arie in dem in Wien so gut wie unbekannten „Stabat Mater“ von Gioacchino Rossini aus dem Jahr 1833, das in seiner endgültigen Gestalt 1842 in Paris uraufgeführt worden war. Der überaus lebhafte und langanhaltende Applaus des gesamten Publikums klang wie eine Demonstration für die Wiener Symphoniker und ihren derzeitigen Leiter. (Das Konzert wird am Sonntag, dem 18. Jänner, um 11 Uhr in Ö 1 gesendet.)

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