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Probleme macht die Industrie

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FURCHE: Wie beurteilen Sie die Situation der Müllentsorgung in Niederösterreich?

WOLGANG KONRAD: Allgemein kann man feststellen, daß derzeit, was den Konsumenten und seine Müllentsorgung anbelangt, schon sehr viel geschieht. Der einzelne ist weitgehend über das Müllproblem aufgeklärt und in etwa zwei Jahren wird die getrennte Sammlung von Bio- und sonstigem Müll verwirklicht worden sein. In Niederösterreich nimmt man das jetzt schon in Angriff. Auch die Wertstoffsammlung wird voraussichtlich verbessert werden können.

FURCHE: Also ein positives Urteil?

KONRAD: So kann man es auch wieder nicht sagen. Denn so gut wie gar nichts scheint meiner Meinung nach derzeit im Bereich von Industrie und Gewerbe zu gehen. Bedenkt man nun aber, daß gerade in diesem Sektor der weitaus größte

Müllanfall gegeben ist, dann erkennt man die Dramatik der Situation: Die Industrie produziert österreichweit zwölf Millionen Tonnen Müll im Jahr, die Haushalte hingegen „nur" zwei Millionen Tonnen. So ist es zwar gut, daß es neue Verordnungen zum Abfallwirtschaftsgesetz gibt. Daß sie alle aber nur auf den Konsumenten ausgerichtet sind, Industrie und Gewerbe aber fast gar nicht betroffen sind, ist ärgerlich und problematisch.

FURCHE: Welche Maßnahmen erscheinen vordringlich?

KONRAD: Viel Müll wird von den Herstellern - und zwar weitgehend unnotwendig - gemacht: Denken Sie nur an die Dreifachverpackungen.

Typisches Beispiel: Kekse, die in einer Kartonschachtel, die wiederum in Zellophan gehüllt ist, stekken. Macht man die Schachtel auf, findet man womöglich noch eine Alu-Kunststoffolie vor, die ihrerseits wieder einen Styrolkörper

enthält, in dem die Kekse schräg aufgeschlichtet sind. Solcher Verpackungsluxus ist ein Wahnsinn. Er müßte unterbunden werden.

FURCHE: Sind Produktionsbetriebe nicht von den neuen Formen der Hausmüllsammlung betroffen?

KONRAD: Die neu organisierte Haumüllsammlung betrifft die Industrie überhaupt nicht. Solange Wirtschaftstreibende ihre Müllentsorgung über private Einrichtungen durchführen, unterliegen sie selbst keinerlei Verpflichtung zur Mülltrennung. Meist wird diese erst von den Entsorgungsunternehmen durchgeführt. Für diese Leistung sind die Unternehmen im allgemeinen auch bereit zu zahlen, kommt sie dies doch billiger, als eine Arbeitskraft einzustellen, die sich mit der Mülltrennung beschäftigt.

FURCHE: Wie schneidet Niederösterreich Ihrer Meinung nach im Bundesländervergleich ab?

KONRAD: Im Österreich-Vergleich schneidet Niederösterreich, was Fragen der Müllentsorgung anbelangt, gut ab. Mit Vorarlberg ist es wohl jenes Bundesland, das -vor allem auch dank der Initiativen von Landeshauptmannstellvertreter Erwin Pröll - die größten Anstrengungen unternimmt.

FURCHE: Und wie steht es mit der Wiederverwertung?

KONRAD: Sie muß man genau unter die Lupe nehmen und die Frage stellen, was wird wie wiederverwertet. Problematisch ist immer noch der Kunststoffsektor. Am Beispiel Joghurt-Becher kann man

zeigen, wie man mit Recycling Mißbrauch treiben kann. Da wird ein mieses Produkt, dem man das Recycling-Image verpaßt, am Leben erhalten. Das Material, aus dem die Becher sind, ist von der Produktion (Chlorchemie) und von seiner Eigenschaft (im Kontakt mit dem Nahrungsmittel) problematisch. Und was die Verwertung anbelangt, so werden gegenwärtig nur maximal zehn Prozent wieder einer Verwendung zugeführt. Der Rest wird deponiert. Und welche Art der Wiederverwertung geschieht? Es werden minderwertige Produkte wie Kunststoffblumentöpfe erzeugt. In ihnen verfaulen die Wurzeln der Pflanzen relativ rasch -und so landet das Recycling-Produkt auch bald wieder im Müll. Hier läuft einfach ein Recycling-Schmäh.

Die Glasflasche ist unvergleich sinnvoller - obwohl auch sie Umweltprobleme bringt.

Was das Altpapier anbelangt, so gibt es keinerlei technische Probleme der Wiederverwertung. Was aber kaum durchschaubar ist, das sind die Hintergründe der Preisbildung und des internationalen Altpapier-Handels. Das ist ähnlich schwer zu durchschauen wie der Erdölmarkt. Da laufen Waggons von einem Ende Europas zum anderen.

Wolfgang Konrad ist Mitarbeiter des Ökologie-Instituts in Wien.

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