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Professor Brezinsky ist anders als Professor Kissinger

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An Stelle des deutschen Akzents wird sich jetzt im State Department ein polnischer durchsetzen, so jedenfalls meinte ein namhafter New Yorker Publizist ironisch nach der US- Wahlkampagne. Frühzeitig hatte man erfahren, daß Jimmy Carters erster außenpolitischer Ratgeber, „der Kissinger Carters” also, Zbigniew Brezinsky heißen werde. Brezinsky ist polnischer Abstammung. Die Gegner behaupteten, ,,Jimmy” habe keine blasse Ahnung von Außenpolitik. Alle gaben hingegen zu, daß Brezinsky eine Autorität in internationalen Fragen sei. Kein schlechter Einfall Carters also, daß er diesen „polnischen Gelehrten” in seine engste Umgebung berief. Viele glaubten sogar, Brezinsky sei zum Außenminister auserkoren. Brezinsky ist aber nicht Secretary of State geworden.

Zwischen Kissinger, dem jüdischen Flüchtling aus Bayern, und dem polnischen Emigranten katholischen Glaubens, Professor Brezinsky, gibt es manche Gemeinsamkeiten, aber noch viel größere Unterschiede. Brezinsky kam vor 48 Jahren in Warschau zur Welt; sein Vater war polnischer Diplomat und wirkte während der drei ßiger Jahre in Frankreich und Deutschland. Im Jahre 1938 wurde der Vater als polnischer Generalkonsul nach Montreal entsandt und kollabo- rierte während des ganzen Zweiten Weltkriegs engstens mit der polnischen Exilregierung in London. Der junge Brezinsky besuchte katholische Schulen in Kanada und wurde an der McGill-Universität Doktor der Wirtschafts- und Staatswissenschaft. Dann kam er an die Harvard-Universität, wo Henry Kissinger bereits zu seinem Rivalen wurde. Das Ziel ihres ersten Wettlaufs war die Habilitierung als Professor in Harvard. Henry blieb fürs erste Sieger, und der unterlegene Zbijgniew erhielt einen Lehrstuhl an der Columbia-Universität in New York.

Später war Brezinsky Direktor des Instituts für Marxismus an der Columbia-Universität. Bei dieser Arbeit gelangte er zurUberzeugung, daß eine breite Zusammenarbeit zwischen den Westmächten die beste Garantie für globale Sicherheit sei.

Als Carters Wahl nunmehr auf ihn fiel, erklärte Brezinsky einem Journalisten, die Alternative heiße: verstärkte internationale Zusammenar beit oder Steigerung der globalen Unruhe.

Nur wenige kennen die wahren Schwächen der UdSSR besser als Brezinsky. Moskaus Probleme sind, wie man weiß, in den letzten Jahren größer geworden. Es ist denkbar, daß eine neue Generation von Sowjetführern iriit den politischen und wirtschaftlichen Fragen des Sowjetimperiums konfrontiert, der Technologie größere Bedeutung als der Ideologie beimißt. Da das Politbüro die Dissidenten immer hektischer unterdrückt, wächst die Unzufriedenheit zusehends. Die Sowjets wissen überdies, daß nur ihre Panzerdivisionen die kommunistischen Regime in Polen, Ostdeutschland, Ungarn und in der CSSR aufrechterhalten.

Zweifellos wird Brezinsky seinem Präsidenten eine Demonstration der Festigkeit gegenüber der UdSSR und eine Erweiterung der Zusammenarbeit mit den demokratischen Ländern empfehlen. Er wird dabei wohl auch die Interessen des polnischen Volkes und der Kirche nicht übersehen, die in Sowjeteuropa gleichermaßen um das Überleben kämpfen.

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