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Professoraler Kraftakt

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Schon im Oktober des Vorjahres zogen die Gewitterwolken auf: Nach dem „Marsch der weißen Kittel“ gegen die 29. ASVG-Novelle rüsteten die Professoren zum Sturm. Bereits zu Beginn des Jahres 1972 hatten sie der Regierung einen Forderungskatalog präsentiert, der bis jetzt unbeachtet blieb. Im Gegenteil: Durch die Schulbuchaktion und die damit verbundene Administration wurde der Wunschzettel sogar noch größer.

Jetzt aber, Mitte Jänner, kam der Stein des professoralen Unbehagens ins Rollen und scheint in einem „professoraler Kraftakt zu enden: dafür gibt es einen zweifachen Anlaß. Erstens wurde ein mit Bundeskanzler Kreisky in dieser Angelegenheit fixierter Gesprächstermin für den 16. Jänner wegen „Termindrucks“ des Regierungschefs auf den 31. Jänner verschoben. Zweitens erließ Unterrichtsminister Sinowatz an die Lehrerschaft die Order, zwischen dem 25. Jänner und dem 10. Februar an den Schulen Konferenzen abzuhalten, in denen die für die Schule im kommenden Schuljahr benötigten Schulbuchtitel ausgewählt werden sollen.

Und einer solchen Mitarbeit an der Schulbuchaktion 1973/74 des Unterrichtsministers erteilen die Professoren eine Absage: man werde zwar Konferenzen abhalten, aber statt der Auswahl der Schulbuchtitel werde man Protestresolutionen verabschieden, die nicht nur auf den unerledigten Forderungskatalog, sondern auch auf die nicht abgegoltene Stempelarbeit für die Schulbuchgutscheine hinweisen.

Diesen Boykott seiner nächsten Schulbuchaktion hat sich Sinowatz selbst zuzuschreiben, hatte er doch den Lehrern noch vor Beginn der ersten Aktion in die Hand eine Abgeltung versprochen. In seiner letzten Pressekonferenz umriß der Unterrichtsminister die Abgeltung global mit 25 Millionen Schilling. „Das hätte für jeden Lehrer 450 Schilling ergeben“, rechnete voreilig die „Arbeiter-Zeitung“ aus. Denn immerhin war Sinowatz den Lehrern mit 500 Schilling im Wort. Das hätte allerdings runde 27 Millionen gekostet.

Die Professoren, die überdies auch über die überhandnehmende administrative Tätigkeit mit Schülerfreifahrten, Schulfahrtbeihilfen und ähnlichem mehr klagen, forderten gar 700 Schilling für sich.

Gleichzeitig bläst man aber auch vom alten Wunschzettel den Staub der Vergessenheit fort: dort wird als zentrales Anliegen eine fühlbare An-hebung der Bezüge im mittleren und unteren Bereich des Gehaltsschemas und die Verwaltungszulage auch für Lehrer verlangt.

Vor allem das Thema Verwaltungszulage ist derzeit interessant und „pikant“: nicht zuletzt deshalb, weil gerade Kreiskys Regierungsbenjamin Lausecker frisch auf die Fährte einer Revidierung des öffentlichen Zulagenwesens gesetzt wurde. Und da wird es sich am 31. Jänner bei den Verhandlungen im Bundeskanzleramt zeigen, wie konkret sich diesbezügliche Vorstellungen auf die Professorenforderungen auswirken.

Die „aufgekündigte“ Mitarbeit der Professoren an der nächsten Schulbuchaktion wird aber nicht nur mit der nicht erfolgten Abgeltung begründet, sondern auch mit dem Vorwurf, daß die Aktion auch künftig in nahezu unveränderter Form über die Bühne gehen solle. Einstweilen sind die Vorstellungen des Unterrichtsministers noch Zukunftsmusik, hat er doch die Aktion des laufenden Schuljahres noch nicht „ausgestanden“.

Abgesehen davon, daß heute noch immer Lehrbücher fehlen, schaffen die teilweise sehr unterschiedlichen Zahlen über die Aktion berechtigtes Unbehagen: noch bei den Budgetberatungen im November hatte Sinowatz von 12 Millionen Schulbüchern gesprochen, die auszuliefern seien, jetzt sind es 10 Millionen. Ähnlich unterschiedlich sind auch die Angaben über die Kosten. Man werde, so Sinowatz zuversichtlich, im veranschlagten 470-Millionen-Rahmen bleiben, habe man einstweilen doch nur 466 Millionen Schilling ausgegeben. Das würde bedeuten, daß pro Buch durchschnittlich unter 50 Schilling ausgegeben werden müßten.

Aber noch am 23. März des Vorjahres rechnete Sinowatz in einer Pressekonferenz an Hand detaillierter Unterlagen für die verschiedenen Schultypen und Schulstufen den staunenden Journalisten vor, daß die Schulbuchaktion pro Jahr etwa 550 Millionen Schilling kosten werde. Sinowatz, der damals noch das „Schecksystem“ verfocht, hatte sich dabei — wie er betonte — von allgemeingültigen Erfahrungswerten leiten lassen, die nur selten unter-oder überschritten würden. Und auch die „Arbeiter-Zeitung“ huldigte der Schulbuchaktion im Hinblick auf die Ersparnisse der Eltern: kaum ein Buch, das vom Zentralorgan der Regierungspartei zitiert wurde, kostete unter 80 Schilling.

Warum es justament jetzt billiger sein sollte, versteht niemand. Vielleicht sind die 466 Millionen vorerst ein „provisorischer“ Kraftakt?

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