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Digital In Arbeit

Prognose zu optimistisch

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Der Beirat hat die Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung und die Entwicklung der Arbeitslosigkeit untersucht. Obwohl durchaus nicht rosig, sind die Erwartungen doch eher zu optimistisch …

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Der Beirat hat die Auswirkungen einer Arbeitszeitverkürzung und die Entwicklung der Arbeitslosigkeit untersucht. Obwohl durchaus nicht rosig, sind die Erwartungen doch eher zu optimistisch …

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In der jüngsten Ausgabe der „Finanznachrichten“ stellt Horst Knapp fest, daß die einheitliche Problemsicht von Arbeitgeber und -nehmer das eigentlich Bemerkenswerte dieses Zwischenberichtes sei. Endlich akzeptieren die Arbeitgeber, daß kürzere Arbeitszeit insgesamt positive Folgen für die Gesamtbeschäftigung haben könne und daß eine Ver-

kürzung in Österreich auch im Alleingang durchzuführen sei.

Die Arbeitnehmer wiederum beharren offensichtlich nicht mehr auf vollem Lohnausgleich und scheinen sich auch mit dem Gedanken an ein nach Branchen differenziertes Vorgehen zu befreunden.

Grundsätzlich positiv ist auch die Bereitschaft der Partner, sich in Zukunft gemeinsam mit Fragen einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung auseinanderzusetzen, wenn auch einige Varianten nicht in die Überlegungen miteinbezo- gen werden dürften.

Der Zwischenbericht versucht die Folgen einer von 40 auf 38 Stunden verkürzten wöchentlichen Arbeitszeit abzuschätzen. Solche Überlegungen scheinen dem Beirat angebracht, da seiner Prognose zufolge eine Beibehaltung der derzeitigen Gegebenheiten zxr einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit führen würde — trotz angenommenen leichten Wirtschaftswachstums: Variante 1 geht von 2,5 Prozent Wirtschafts- und Produktivitätswachstum aus, Variante 2 rechnet mit einem Prozent Wirtschaftsund 1,5 Prozent Produktivitätszuwachs. Unter solchen Voraussetzungen ergeben die Modellrechnungen eine Arbeitslosenrate von 7,2 bzw. 8,5 Prozent im Jahr 1987.

Was aber würde eine Arbeitszeitverkürzung bringen? Auch hier wurden zwei Varianten berechnet. Erstens: Die Lohnpolitik richtet sich nach der Produktivitätsentwicklung. Zweitens: Die Stundenlöhne werden so angehoben, daß 70 Prozent des sich aus der kürzeren Arbeitszeit ergebenden Verdienstentganges abgegolten werden. Im zweiten Fall verringert sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit auf ein Drittel, im ersten Fall auf ein Sechstel des Wertes, der ohne die Arbeitszeitverkürzung nach vier Jahren zu erwarten wäre.

Auf jeden Fall aber wird die Arbeitslosigkeit zunehmen. Woraus der Schluß abgeleitet werden kann — den der Beirat allerdings nicht zieht —, daß weitere Arbeitszeitverkürzungen notwendig werden dürften.

Wie ernst sollte man solche Berechnungen nehmen? Mir scheint die Grundaussage wichtig, daß es Zeit ist, sich ernsthaft Maßnahmen zu überlegen, weil die Zukunft höhere Arbeitslosigkeit bringen wird. Was die ausgewiesenen Zahlen anbelangt, habe ich eher den Eindruck, daß es sich um eine relativ optimistische Sicht handelt.

Das liegt vor allem am methodischen Zugang, an der Verwendung ökonometrischer Modelle, deren Kennziffern (Parameter) weitgehend von den Gegebenheiten der sechziger und frühen siebziger Jahre geprägt sind. Soweit die gesamtwirtschaftliche Reaktion auf eine Verkürzung der Arbeitszeit von diesen Modellen beschrieben wird, geschieht dies nach dem Muster der zuletzt erfolgten Arbeitszeitverkürzungen.

Nur fanden die unter ganz anderen Voraussetzungen statt: Optimismus und Hochkonjunktur kennzeichneten die wirtschaftliche Landschaft damals.

Das ist das Dilemma, dem alle Modellbauer gegenüberstehen: Um statistisch aussagekräftige Parameter zu erhalten, müssen sie möglichst weit in die Vergangenheit zurückreichende Datenreihen verwenden. Ihre Aussagen für die Zukunft sind aber nur dann von Bedeutung, wenn sich zwischen Beobachtungs- und Prognosezeitraum nichts Entscheidendes im Umfeld der Wirtschaft verändert. Gerade das ist aber geschehen.

Wie schwierig selbst einfachere Prognosen sind, zeigt die Korrektur, die der Beirat diesmal am voraussichtlichen Arbeitskräfteangebot gemacht hat. Noch 1980 (also vor nur drei Jahren) rechnete man mit einem jährlichen Arbeitskräftezuwachs, der um ein Drittel höher lag, als man es derzeit vorhersieht. Bis zum Jahr 2000 aufsummiert ergibt das immerhin einen Unterschied von 58.000 Personen.

Ein entscheidender Grund dafür, daß die Prognosen eher optimistisch erscheinen, liegt in der mangelnden Berücksichtigung der derzeitigen technischen Entwicklung. (Laut Aussage der Autoren soll in einer weiteren Phase der Arbeit dieser Aspekt berücksichtigt werden.) Hier zeichnet sich nämlich ein Durchbruch ab, den die verwendeten ökonometrischen Modelle in keiner Weise erfassen:

Vergangene Woche stellte IBM sein neues Konzept für Informationsverarbeitung in Österreich der Presse vor. Dabei machte Horst Breitenstein, stellvertretender Generaldirektor, folgendes klar: „Wir müssen begreifen lernen, daß uns allen Information heute als Produktionsfaktor zur Verfügung steht… Information kann andere Sachinvestitionen, Kapital und Arbeitsleistung im traditionellen Sinn substituieren, und wir müssen uns auf diesen Produktionsfaktor einstellen, um … konkurrenzfähig zu bleiben.“

Das bedeutet im Klartext, daß das Zeitalter der maschinellen Datenverarbeitung nun endgültig angebrochen ist — und das aus zwei Gründen: Das Verhältnis zwischen Preis und Leistung ist so günstig geworden, daß auch Klein- und Mittelbetriebe sich eine elektronische Datenverarbeitung leisten können. Und zweitens kann Informationsverarbeitung heute auch ohne Umstellung des gesamten Betriebsgeschehens erfolgen. Ihre Benutzung erfordert nämlich nicht mehr den Einsatz von EDV-Spezialisten wie bisher. Die Vorprogrammierung der Geräte ist schon so weit gediehen, daß der Endverbraucher auch ohne Programmierkenntnisse ein leistungsfähiges Gerät nutzen kann.

Man kann sagen, daß die Informationstechnologie vom Operator freigespielt worden ist. Jeder kann sie nach kurzer Einschulung selbst verwenden. Und sie ist erschwinglich (60.000 Schilling kostet ein Personalcomputer, ein größeres System 140.000 bis 600.000 Schilling).

Nochmals zur Klarstellung: Nunmehr wird elektronische Datenverarbeitung bald überall wirtschaftlich sinnvoll. „In vier bis fünf Jahren wird es keine konventionelle Schreibmaschine mehr geben. Dann hat jedes Schreibgerät künstliche Intelligenz“, sagte mir ein IBM-Mitar- beiter auf der Pressekonferenz. Und dieser Produktionsfaktor Information wird andere Faktoren, insbesondere Arbeit, substituieren, wie Breitenstein ausführte, also schlicht und einfach ersetzen.

Die Prognosen des Beirates, die sich nicht mit der Datenverarbeitung explizit auseinandersetzen, zeigen daher sicher nur die Untergrenze der möglichen Probleme auf dem Arbeitsmarkt auf. Umso wichtiger wird es sein, sich diesen Problemen rasch zu stellen, um einvernehmliche Lösungen zu finden, die hoffentlich möglichst viel Freiraum für das Sammeln von Erfahrungen lassen.

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