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Programmierte Arbeitslosigkeit
235 verschiedene Lehrberufe gibt es. Trotzdem sind über 50 Prozent aller Lehrlinge auf nur zehn Berufe konzentriert. Facharbeitermangel ist eine der alarmierenden Folgen.
235 verschiedene Lehrberufe gibt es. Trotzdem sind über 50 Prozent aller Lehrlinge auf nur zehn Berufe konzentriert. Facharbeitermangel ist eine der alarmierenden Folgen.
Etwa 60 Prozent der in Österreich ausgebildeten Lehrlinge werden in schrumpfenden Wirtschaftsbereichen ausgebildet. (Diese verwenden Lehrlinge zum überwiegenden Teil als billige Arbeits- und Hilfskräfte und erhalten dadurch teilweise ihre Konkurrenzfähigkeit.)
Die von männlichen Jugendlichen am begehrtesten Lehrberufe sind noch immer:
• Koch (12.486 Lehrlinge)
• KFZ-Mechaniker (11.993 Lehrlinge)
• Tischler (10.785 Lehrlinge). Junge Menschen haben heute
aber kaum mehr die Wahlmög lichkeit zwischen verschiedenen Lehrstellen, sondern müssen ohne Rücksicht auf Neigung oder Wunsch die Stelle annehmen, die angeboten wird.
Bei den Mädchen ist die Konzentration auf wenige Lehrberufe noch ausgeprägter (zum Beispiel Friseurlehrlinge per 31. Dezember 1986: 8.127), noch dazu, wo gerade „typische Frauenberufe“ besonders anfällig auf konjunkturelle Schwankungen sind.
Vor allem jene Branchen bieten Lehrstellen in vermehrtem Maße an, die billige Arbeitskräfte benötigen. Bedingt durch das Berufs-ausbildungs- sowie das Kinder-und Jugendbeschäftigungsgesetz kommen höchstens 110.000 Betriebe in Österreich als Ausbildungsstätten in Frage. Davon bilden je nach Nachfrage 48 bis 58 Prozent tatsächlich junge Menschen aus. Etwa 46.000 Betriebe haben nur einen Beschäftigten und zu wenig Kapazität für eine Ausbildungsstelle.
Berufswechsel als Ausweg ist freilich nichts Neues. Für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Lehrberufe war späterer Berufswechsel auch schon früher so gut wie vorprogrammiert. Die quali-f ikatorischen Leistungen des dualen Systems (Praxis und Berufsschule) entsprachen früher im allgemeinen den Anforderungen der Wirtschaft. Das heißt, ein Jugendlicher mit Abschluß konnte damit rechnen, auch in anderen Berufen als dem, den er erlernt hatte, Beschäftigung zu finden.
Inzwischen hat sich der Qualifikationsbedarf aber geändert. Die neuen Technologien bewirken eine inhaltliche Änderung der Anforderungen: Vor allem im Produktions- und Verwaltungsbereich werden noch manuell durchzuführende Tätigkeiten und Handlungsabfolgen zunehmend von Maschinen übernommen. Zu verrichten bleiben komplizierte Arbeiten und planende Tätigkeiten, für die höhere berufliche Ausbildungen erforderlich sind.
Deutlich kommen diese Ungleichgewichte zwischen Bedarf an Fachkräften und der tatsächlichen Lehrlingsausbildung in einer sogenannten „Reprodukti-onsziffer“ — Anzahl der Lehrlinge eines Berufes in Prozent im Verhältnis zu den Gesamtbeschäftigten in dieser Sparte - zum Ausdruck.
So beträgt zum Beispiel der Anteil der Kochlehrlinge gemessen an den als Köche Beschäftigten rund ein Drittel (!), bei den Friseuren liegt er bei 30 Prozent, den Betriebsschlossern 26 Prozent, den KFZ-Mechanikem 26 Prozent, den Tischlern 20 Prozent und den Maurern 7,8 Prozent.
Diese Reproduktionsziffern bestätigen den Trend, daß trotz der hohen Lehrlingsquote (neun Prozent der Beschäftigten in Österreich sind Lehrlinge, in der Bundesrepublik Deutschland sieben Prozent) Österreichs Wirtschaft immer mehr an Facharbeitermangel leidet — wovon am stärksten die Bauwirtschaft betroffen ist.
Dieses Ergebnis ist alarmierend, bedenkt man, daß über 50 Prozent aller Lehrlinge auf nur zehn Berufe (siehe Kasten) konzentriert sind — obwohl es insgesamt 235 verschiedene Lehrberufe gibt. Mitte Juli 1987 besaßen 37-Prozent der arbeitslosen Jugendlichen zwischen 19 und 25 Jahren eine abgeschlossene Lehre.
„Ausbildung für programmierte Arbeitslosigkeit“ — zu diesem ähnlichen Ergebnis kommt eine im Februar 1987 durchgeführte Studie des Instituts für Berufsförderung über „Berufszugehörigkeit arbeitsloser Jugendlicher“. Diese bilden ein Spiegelbild zu den von Jugendlichen am meisten frequentierten Lehrberufen.
Notwendig zur Verbesserung dieser Situation wären daher
• eine bessere Information über Chancen und Möglichkeiten am Arbeitsmarkt;
• Information der Jugendlichen (und zwar frühzeitig: Elf- bis Zwölfjährige über die insgesamt 235 verschiedenen Lehrberufe durch Serien im Radio; zum Beispiel 03 in der Jugendsendung „Zick-Zack“) in einer für sie ansprechenden Form;
• bessere Koordination zwischen den zuständigen Stellen (Arbeiterkammer, Sozialministerium, Unternehmerverbände, Wirt-schaftsförderungsinstitut und so weiter).
Der Autor ist Mitarbeiter des Personalausbildungsbüros der Osterreichischen Nationalbank.
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