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Prolongierte Budgetmisere

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Das Budget 1992 steht. Das Defizit beträgt die angepeilten 62 Milliarden Schilling. Einnahmen von 573,9 Milliarden stehen Ausgaben von 635,9 gegenüber. Die Optik stimmt, aber die Regierung hat mit viel Kosmetik diesmal nur ein blaues Auge abbekommen. Nächstes Mal sind es zwei.

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Das Budget 1992 steht. Das Defizit beträgt die angepeilten 62 Milliarden Schilling. Einnahmen von 573,9 Milliarden stehen Ausgaben von 635,9 gegenüber. Die Optik stimmt, aber die Regierung hat mit viel Kosmetik diesmal nur ein blaues Auge abbekommen. Nächstes Mal sind es zwei.

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Die Dramatik, mit der hinter den Kulissen noch letzte Hand an das Budget 1992 gelegt wurde, war weder neu noch ungewöhnlich. Gepokert wurde in Zeiten der großen Koalitionen immer schon. Diesmal zwar nicht bis eine Minute vor Mittemacht - wie in den sechziger Jahren -, um das Budget noch vor der verfassungsmäßigen Fallfrist durchzubringen. Und Rücktritte wie 1952 und 1965 gab es auch nicht. Aber das Festbeißen der ÖVP an der Brechung des staatlichen Monopols der Arbeitsvermittlung machte die letzten Tage trotzdem zu einer Zitterpartie wie schon lange nicht mehr.

Dje Forderung Stummvolls „Keine Sanierung ohne Privatisierung" wurde zwar nicht erfüllt. Er feierte es trotzdem als einen „historischer Durchbruch", auch wenn lediglich Führungskräfte jetzt privat vermittelt werden dürfen. Aber die SPÖ streckte ihm in Wirklichkeit nur den kleinen Finger hin. Eine Führungskraft hat sich auch früher schon nicht in die Warteschlage vor den Arbeitsämtern eingereiht, sondern sich Mangementbera-tungsfirmen bedient. Einen wirklichen Privatisierungserfolg kann die ÖVP erst verbuchen, wenn sie die ganze Hand hat. Aber die gibt es erst ab Mitte 1993, wenn auch in anderen Bereichen private Jobvermittler tätig werden dürfen.

Alle Spielräume sind ausgeschöpft

Lautes Ächzen und Stöhnen samt Rücktrittsdrohungen als „Begleitmusik" wird es aber auch bei zukünftigen Budgetverhandlungen geben. Denn die Finanzpolitik kommt emsthaft ins Gedränge. Das angestrebte Budgetziel von drei Prozent des BIP - also die umkämpften 62 Milliarden Schilling Neuverschuldung - wurde nur erreicht,weil alle Spielräume ausgeschöpft wurden.

- Aktienverkäufe der CA und der neuen Bank Austria sollen Lacina drei Milliarden Schilling bringen, der Verkauf von Aktien der Iiiwerke, der Austria Femgas und der Casinos Austria weitere drei Milliarden.

- 5,5, Milliarden trägt der Finanzminister durch die Auflösung der Rücklagen der Sozialversicherungen in sein Kassabuch ein. Man greife, so wird argumentiert, ohnehin nur auf jene Reserven zurück, die der Bund durch Zuschüsse ermöglicht habe.

- Auf 800 Millionen Schilling hofft der oberste Säckelwart durch Kosteneinsparungen bei den Landeslehrem.

- Eine Milliarde kommt von der Nationalbank, die - obwohl sie keine „erwerbstätige" Bank ist, wie eine solche behandelt wird - und Körperschaftssteuer zahlen soll.

- Je eine Milliarde Schilling holt sich Lacina von den Austria Tabakwerken und den Salinen durch Kapitalherabsetzungen.

- Außerbudgetär werden, wie gehabt, Straßen- und Bahninvestitionen getätigt. Die Asfinag wird dafür 8,9 Milliarden Schilling aufnehmen.

- Die Anhebung der Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte bringt 2,5 Milliarden Schilling. Dazu kommen Gebührenerhöhungen bei Gerichtskosten.

Optisch ist also alles in Ordnung. Aber das Ergebnis zeigt, daß man sich's leicht gemacht hat und leicht machen konnte, das erklärte Budgetziel durchzuboxen: Staatsbetriebe werden ausgepreßt, in der Rentenkasse war etwas drin, etwas Familiensilber ist auch noch zum Verkauf da. Diesmal konnte die Regierung also noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen.

Aber es wäre frivol und verwegen zu meinen, daß das Budgetziel auch das nächste und übernächste Mal auf diese Weise erreicht werden kann. Denn der budgetäre Handlungsspielraum und die Gestaltungsmöglichkeiten für die Zukunft sind eng geworden, die wirklichen Probleme (ÖBB, Gesundheitswesen, Verwaltung) blieben ungelöst. Lieber etwas opfern als Reformen anzugehen, so wie jetzt, geht aber dann nicht mehr.

Wenn daher der politische Zank prolongiert wird, ist es verständlich, wenn immer wieder eine Frage auftaucht: Kann die Budgetpolitik nicht stärker versachlicht werden? Können die Entscheidungsprozeße nicht stärker rationalisiert werden? Von der FURCHE befragt, meint dazu WIFO-Budgetexperte Gerhard Lehner: „Budgetpolitik ist zutiefst Parteipolitik und die Erstellung des Staatshaushaltes die in Zahlen gegossenen Regierungserklärung. Es ist schwer möglich, sie sozusagen parteipolitisch unabhängiger zu machen und an strikte ökonomische Notwendigkeiten zu binden." Was geschehen müßte, sind Budgetvollzugsreformen und mehr Kontrolle.

Positiv bewertet Lehner dabei Maßnahmen, die bereits in die Wege geleitet sind: So muß in Zukunft eine Regierung am Beginn der Legislaturperiode ein Budgetprogramm vorlegen. Ein beigelgter Bericht gibt Aufschluß über die Übereinstimmung von Budget und Programm, Abweichungen müssen begründet werden. Parlament und Medien haben damit mehr Chancen als bisher, meint Lehner, Kontrolle über den Budgetvollzug auszuüben und massiv die Einhaltung von Programmen einzufordern.

Eine weitere Reformmaßnahme in Form eines 20-seitigen Papiers hat am Montag auch Staatssekretär Stumm voll präsentiert, in dem die Struktur- und Ausgliederungsmaßnahmen für die einzelnen Ressorts zur Budgetentlastung aufgelistet sind. Wo es kostengünstiger ist, sollen außerdem Private bestimmte Aufgaben erfüllen. So können in Zukunft private und nicht nur staatliche Kfz-Werkstätten in Zukunft Dienstwägen reparieren, Bäche und Flüsse verbauen und so weiter. Die Einsparungspotentiale sind allerdings noch nicht bezifferbar.

Druck vom Ausland

Gespart werden muß aber weiterhin drastisch. Nicht nur aus innen-, sondern auch aus außenpolitischen Gründen. Es geht, betont auch Wifo-Experte Lehner einmal mehr, um unsere Glaubwürdigkeit, gesetzte Sanierungsziele auch zu erreichen.

Doch gerade in den letzten Tagen und Wochen wurde klar, daß eine Partei, wenn sie mit dem Rücken zur Wand ums politische Überleben kämpft, sich wenig schert und scheren kann um internationale Reputation. Und Wahrscheinlich ist auch dem Steuerzahler letztlich seine Brieftasche wichtiger als so schwammige Appelle wie „Glaubwürdigkeit, Ansehen im Ausland".

Was aber passiert, wenn die Budetzügel wieder lockerer werden, sieht man derzeit in Italien. Roms Finanzminister ist mit seinen Staatsfinanzen recht locker umgesprungen Die Folgen heute: Das Land wurde in der internationalen Kreditwürdigkeit zurückgestuft und unter Gemeinschaftskuratel gestellt. Doch welches Land legt sein Haushaltsbuch gerne ausländischen Kontrolleuren vor?

Nachsatz von Lehner: „Aber Italien ist ein mächtiges EG-Land, das sich besser gegen allzuviel Druck aus Brüssel wehren kann..." Das kleine Östereich könnte das wohl nicht.

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