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Provokantes ausstellen

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Julius Schoeps, Zeitgeschichtler und Mitorganisator der großen Berliner Ausstellung, Jüdische Lebenswelten”, Herausgeber der Neuausgabe der Werke Theodor Herzls, ist seit kurzem Leiter des Jüdischen Museums der Stadt Wien.

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Julius Schoeps, Zeitgeschichtler und Mitorganisator der großen Berliner Ausstellung, Jüdische Lebenswelten”, Herausgeber der Neuausgabe der Werke Theodor Herzls, ist seit kurzem Leiter des Jüdischen Museums der Stadt Wien.

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Für die Eröffnung des Museums am 18. November dieses Jahres setzt er auf drei verschiedene Ebenen: Einmal werden die abstrakten Illustrationen zum biblischen „Hohen Lied” (in einer Nachdichtung von Manfred Hausmann) durch den deutschen Maler und Bildhauer Heinz Mack zu sehen sein. „Das ,Hohe Lied' als ein Stück Weltliteratur scheint mir da gerade richtig. Ein jüdisches Museum soll ja nicht nur rein jüdische Themen aufgreifen”, meint Direktor Schoeps. Macks Bilder werden in Wien erstmals gezeigt.

Weiters ist eine Art Topographie jüdischen Lebens in Wien unter dem Titel „Hier hat Teitelbaum gewohnt” geplant. „In 28 Kabinetten werden wir 28 Spitzenobjekte zeigen, die wichtige Aspekte jüdischen Lebens in Wien anreißen. Gleichzeitig sind damit die künftigen Themen für das Museum aufgegriffen. Das wird als ,Work in progress' natürlich noch nicht völlig perfekt sein”, schränkt Schoeps ein.

Als drittes Element sollen Fotografien vom 1934 in Luzern abgehaltenen Psychoanalytischen Kongreß -mit allen damaligen psychoanalytischen Größen - und die Fotos der Wohnung Sigmund Freuds kurz vor dessen Emigration präsentiert werden.

Bekanntlich wird das heute als „Kunstpalais” des Dorotheums genutzte Gebäude in der Dorotheergas-se 11 im Herbst das bisherige Museumsprovisorium in den Räumen der Israelitischen Kultusgemeinde ablösen.

Die Vorlaufzeit für die drei Ausstellungen sei relativ kurz, betont

Direktor Schoeps, daher sei vor der Eröffnung an die architektonische Umgestaltung des Baues nicht zu denken. In der mit drei Jahren angesetzten Gründungsphase werde demnächst für den Umbau ein geladener Wettbewerb für jüngere Architekten ausgeschrieben.

1995 werde erstmals die der Stadt Wien als Dauer-Studiensammlung geschenkte Sammlung Schlaff mit etwa 5.000 Objekten zum Thema Antisemitismus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dafür sei selbstverständlich „ein intelligentes Rahmenkonzept erforderlich, mit dieser Ausstellung kann man etwas bewegen”. Die Schau soll dann auch international wandern können.

Auf die Frage, ob nicht ein Jüdisches Museum in Wien spezifisch auf österreichische Verhältnisse zugeschnitten sein solle, meint Schoeps, daß ein Schwerpunkt Österreich sich zwar von selbst verstehe, aber daß er das neue Museum in Wien gleichzeitig in die Reihe internationaler jüdischer Museen - Amsterdam, Frankfurt und demnächst Berlin - eingebettet sehe: „Eine Verpflichtung für Wien besteht freilich in der Abdeckung des Gebietes der Kronländer der Habsburgermonarchie.”

Gefühl fürs Haus kriegen

Würde dann aber nicht den österreichischen Facetten des Antisemitismus zuwenig Rechnung getragen? Die Wirkung dieses Museums nach innen - bis hin zur museumspädagogischen Aufbereitung für den Besuch von Schulklassen - vernachlässigt gegenüber seiner Bedeutung nach außen? Dazu Schoeps: „Ich will Österreich-jüdische Geschichte nicht mu-sealisieren. Zur österreichischen Millenniumsfeier 1996 ist eine Ausstellung .Tausend Jahre Juden in Österreich' geplant. Aus dieser soll dann die ständige Schausammlung des Jüdischen Museums hervorgehen, gleichsam als Konzentrat. Ich muß ja auch erst ein Gefühl fürs Haus kriegen.”

Selbstverständlich sollen wie geplant die Sammlung Max Berger und die Sammlung der Kultusgemeinde in diese Schausammlung integriert werden. Andererseits will Direktor Schoeps von der Gleichsetzung Jüdisches Museum=Kultgegenstände wegkommen, es geht ihm um die Darstellung der jüdischen Alltagswelt: „Was besagt das Ausstellen von Thora-Schildern?” meint er. Mit entsprechender Hartnäckigkeit ließen sich auch solche Ausstellungsobjekte finden.

Auch politisch neue Konzepte

Für 1994 ist eine Ausstellung des österreichischen Malers und Grafikers Max Oppenheimer (1885-1954) geplant, die „eine Entdeckung werden könnte”, da er noch niemals gesammelt ausgestellt wurde.

Auch unter Schoeps' Leitung wird das Museum als Begegnungsstätte konzipiert, mit Vortragsräumen, Kaffeehaus, Bookshop.

Schoeps hat lediglich einen Werkvertrag für einen begrenzten Zeitraum, wird zwischen Wien und Potsdam pendeln und baut auf seinen Wiener Mitarbeiterstab.

Der Idee eines Jüdischen Museums „unter der Erde”, wie es ursprünglich am Judenplatz in Wien auf den Resten der vermuteten mittelalterlichen Synagoge geplant war, kann Schoeps nichts abgewinnen. Diskussionen möchte er lieber mit Ausstellungsthemen provozieren, etwa durch die Darstellung des Holokaust als Mäuse-Comic durch den Künstler Art Spie-gelman.

„Ich habe den Eindruck, daß seit dem Eintritt in die Nach-Waldheim-Ära in Wien, in Österreich neue Konzepte entwickelt werden, auch in der politischen Landschaft. Ich hoffe sehr, daß ein solches Museum zur Entkrampfung des Verhältnisses der Wiener, der Österreicher zu den Juden beitragen kann.” .

Möglicherweise ist gerade die Tatsache, daß Schoeps mit dem österreichischen Hintergrund dieses sensiblen Themas weniger vertraut ist, hier auch ein Vorteil.

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