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Prügel statt Politik

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In aller Welt regt sich Widerwille gegen Araber prügelnde israelische Soldaten. Auch jüdische Gemeinden melden sich zu Wort. Israels Regierung zeigt sich ratlos.

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In aller Welt regt sich Widerwille gegen Araber prügelnde israelische Soldaten. Auch jüdische Gemeinden melden sich zu Wort. Israels Regierung zeigt sich ratlos.

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„Die Politik der Prügel hat ungeheuerliche Dimensionen angenommen. Kurzfristig wirkt sie abstoßend, langfristig vertieft sie den Haß gegen Israel“, schreiben die beiden Knessetmitglieder Jossi Sarid und Daedy Zuker von der linken Bürgerrechtspartei Raz in einem Rechenschaftsbericht über die Anwendung von Verteidigungsminister Jizchak Rabins Politik der Prügel.

Die beiden Parlamentarier kommen jedoch auch zu dem

Schluß, daß sich die Prügelpolitik gegen die Armee auswirkt. Die 18-bis 20jährigen Soldaten könnten dadurch verleitet werden, in den Arabern keine menschlichen Geschöpfe mehr zu sehen und gleichzeitig die Armee zu hassen, die sie zu solch unmenschlichen Taten gezwungen hat.

Sarid und Zuker glauben auch, daß der Widerstand in den besetzten Gebieten von langer Dauer sein wird. Sie behaupten, mehr als 200 Verletzte mit Knochenbrüchen gesichtet zu haben, hervorgerufen durch die prügelnden Soldaten. Einige unter ihnen seien grundlos aus ihren Wohnungen gezerrt und verprügelt worden.

Uber eine besondere Prügelwand in der Stadt Ramalla bei Jerusalem berichtet die Tageszeitung „Haarez“: „Die Ladenbesitzer am Manaraplatz in Ramalla kennen diese Wand sehr gut. Jeden Tag passiert es, so erzählen sie; jeden Tag bringt man Leute hierher, stellt sie an die Wand, verflucht sie, traktiert sie mit Fußtritten und verprügelt sie wie verrückt.“

„Es gibt Ausnahmen“, bestätigte Rabin auf einer Pressekonferenz. Er betonte jedoch, daß Soldaten, die auf eigene Faust und ohne triftigen Grund prügeln, verfolgt und schwer bestraft werden.

In Presse-Interviews betonte Rabin, daß er sich gezwungen sah, diese Politik der Prügel anzuwenden, um den Unruhestiftern begegnen zu können, ohne von der Schußwaffe Gebrauch machen zu müssen. ,Aber weder mit der Politik der starken Hand noch mit Prügel kann man das Problem lösen“, so Rabin wörtlich. „Wir müssen unbedingt und sofort politische Verhandlungen aufnehmen.

„Ich lasse mich jedoch nur von den Entwicklungen in den besetzten Gebieten leiten und bin nicht bereit, die Einmischung anderer zu dulden, wer immer das sein mag“ — soweit Rabin.

Die Juden in der Diaspora, die bisher fast automatisch den Judenstaat unterstützten, wenden sich jetzt von diesem nicht selten demonstrativ ab. Theo Klein, der an der Spitze der jüdischen Gemeinde Frankreichs steht, hat das klar zum Ausdruck gebracht. Ähnliche Stimmen sind bereits bei den Juden Englands zu vernehmen. Und die wichtigste jüdische Gemeinde, die in den USA, hat ebenfalls ihren Protest angemeldet.

Rabbi Alexander Schindler, der an der Spitze der größten Gruppe der Juden Amerikas steht (die liberalen Juden), schreibt entsetzt an Israels Staatspräsidenten Chaim Herzog: „Ich kann nicht mehr schweigen. Wahllos Araber zu verprügeln, ist eine Beleidigung des Geistes der jüdischen Tradition und eine Verunglimpfung des zionistischen Traums.“ Andere Vertreter jüdischer Organisationen in den USA weisen darauf hin, daß das willkürliche Verprügeln der Araber sie an gewisse Regime erinnere.

Die schon sieben Wochen andauernden Unruhen haben Israel gerade jetzt, vor den 40-Jahr-Fei-ern des Judenstaates, wieder an die seinerzeitige Lage erinnert, als die Araber glaubten, die Starken zu sein und keinerlei Kompromisse eingehen zu müssen.

Der Fluch des großen Sieges des Sechstagekrieges 1967, dessen Architekt der damalige General-

(Votava)

Stabschef Jizchak Rabin war, wirkt weiter. Viele Israelis glauben, daß die besetzten Gebiete ihnen als Groß-Israel von der Vorsehung gegeben wurden. Die dort lebenden Palästinenser sollen weiter ohne jegliche politische Rechte verbleiben. Eine Rolle, die diese nie akzeptiert haben.

Nun ist in den besetzten Gebieten eine jugendliche Führung ans Ruder gekommen, der die PLO nicht aggressiv genug ist. Diese jungen Leute wollen mit den Israelis nicht verhandeln. Gefordert wird ein Palästinenserstaat, in den Israel integriert werden soll. Die Juden sollen dann zu einer Minderheit werden.

Inzwischen verrohen die jungen Soldaten durch die Prügelpolitik, treten in der Tat damit die Demokratie mit Füßen.

Trotzdem will der rechtskonservative Likudblock keine Verhandlungen führen, die den Judenstaat dazu bringen würden, auf einen Großteil dieser Gebiete zu verzichten. Man will Verhandlungen mit „authentischen Palästinensern“. Wo diese zu finden sind, weiß aber kein Mensch.

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