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Psychologische Sonderstellung

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Der Kirche kommt in der Volksgruppenpolitik besondere Bedeutung zu. Die Diözesansynode unter dem inzwischen verstorbenen Bischof Josef Köstner hat in einer wahren Aufbruchstimmung die Weichen zur Zusammenführung der Kärntner beider Zungen gestellt. Der slowenischdeutsche Diözesan-Aus-schuß hat im stillen Wirken Bedeutendes geleistet. Nicht überall gelang es, Barrieren abzubauen, doch wird im kirchlichen Bereich seither emotionsfreier miteinander geredet. Kärntens neuer Oberhirte Egon Kap-pelari hat mehrmals bekräftigt, und auch schon bewiesen, daß er den Weg seines Vorgängers fortsetzt. Auch er ist bemüht, mit slowenischen Katholiken in ihrer Muttersprache zu reden, und die Verbindung über die Diözesangrenze hinaus mit den Nachbar diözesen Laibach und Udine zu suchen.

Der Kulturaustausch mit Friaul und Slowenien hat bedauerlicherweise nicht mehr jenen Stellenwert, den er vor etwa einem Jahrzehnt hatte. Hier läge es im

Interesse der gegenseitigen Beziehungen, über die Kultur auch politische Verbindungen anzuknüpfen. Dies vor allem im Hinblick auf die slowenische Volksgruppe, die ihre Brückenfunktion zwischen Kärnten und Slowenien nicht hinreichend wahrgenommen sieht.

Der Nationalismus hat zu einem Auseinanderleben geführt und dem Land große Sorgen gebracht. Die Wiederherstellung der alten Kärntner Einheit, die jahrhundertelang bestand, muß errungen werden. Außerhalb Kärntens wird übersehen, daß die Grenzen im Süden zweimal in einem Menschenalter vom südlichen Nachbarstaat in Frage gestellt wurden. Daß sich diese Gefahr der Trennung des Kärntner Unterlandes tief in den Gehirnen festgesetzt hat, muß auch dann verstanden werden, wenn Jugoslawien, wie zuletzt wieder beim Besuch von Bundespräsident Dr.

Kirchschläger in Belgrad, die Unverletzlichkeit der Grenze bestätigte.

Daraus ergibt sich die besondere psychologische Stellung Kärntens gegenüber den anderen Bundesländern, abgesehen vielleicht von Vorarlberg. Dazu muß man wissen, daß Kärnten zwar Herzogtum war, seine Herzöge aber kaum kannte, weil die Landstände mit dem niederen und mittleren Adel ein ausgeprägtes Eigenleben führten. Hinzu trat, daß die Reformation im Land an der Drau nachhaltigere Wirkung zeigte als anderswo, wovon heute noch der zehnprozentige Anteil evangelischer Christen zeugt.

Der Politik erwachsen daraus schwierigere Aufgaben als in anderen Ländern. Es ist zu hoffen, daß, wie Landeshauptmann Wagner unlängst meinte, der winterliche Frost in der Politik sein Ende findet.

Die behauptete Aufgeschlossenheit des Kärntners trifft zweifellos zu, wenn man bedenkt, wie nachhaltig geschichtliche Entwicklungen sind. Das Land liegt seit Jahrhunderten an den großen europäischen Verkehrswegen von Ost nach West und ebenso von Norden nach Süden. Kelten, Römer und Germanen kreuzten dieses Land und geben ihm mit seinem Brauchtum, historischen Bauten, vor allem aber in den Herzen und Seelen seiner Menschen, noch heute das Gepräge.

Der Autor ist Chefredakteur der „Kleinen Zeitung” in Klagenfurt.

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