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Putschlüsterne Militärs

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Die zunehmende Armut und Verschuldung der afrikanischen Staaten steht einem nicht zu übersehenden Bevölkerungswachstum gegenüber, und dieser immer stärker werdende Gegensatz nährt die politische Instabilität vieler Länder. Zivilregierungen sehen sich mit der Unzufriedenheit und massiven Kritik arbeitsloser Jugendlicher konfrontiert, die ihrerseits in den krisen-erschütterten Staaten nicht selten ausschlaggebend für eine

Macntübernahme der Militärs sind.

Seit seiner Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialmächten wurde auf dem Schwarzen Kontinent mehr als sechzigmal erfolgreich geputscht. Uber dreißig afrikanische Länder haben in ihrer relativ kurzen eigenständigen Geschichte zumindest einen Militärputsch erlebt, vierzehn Länder wurden öfter als einmal zu ihrem „politischen Glück" gezwungen.

Benin und Ghana hatten diese Erfahrung je fünfmal zu machen, Nigerias verwegener Major-General Mohammed Buhari begrüßte das Jahr 1984 mit dem vierten Putsch seines Landes unter dem Vorwand, es aus Korruption und ökonomischen Schwierigkeiten führen zu wollen.

Die Schlüsselbedeutung dieses Putsches in Afrikas volksreichstem Staat für die zukünftige politische Entwicklung des Kontinentes ist nicht von der Hand zu weisen. Ein Viertel der gesamtafrikanischen Bevölkerung ist Anfang dieses Jahres gleichsam über Nacht von einer Zivilregierung unter die Führung der Militärs geraten, die Hälfte aller Afrikaner wird somit derzeit von Soldaten regiert.

Man neigte dazu, das reiche Nigeria als Musterbeispiel für Afrikas fortschreitenden Reifungsprozeß anzusehen. Insgesamt zehn Jahre Zivilregierung in den 23 Jahren seiner politischen Un-

abhängigkeit von der britischen Kolonialmacht und das wirtschaftliche Potential des westafrikanischen Staates Mitte der siebziger Jahre gaben dazu ausreichend Anlaß.

Gleichzeitig schien es, daß kleinere afrikanische Länder wie Benin, Togo, Burundi etc., deren militärisches Potential zwar schwach aber stark zentralisiert ist, in jüngster Zeit eher der Gefahr eines erfolgreichen Putschversuches ausgesetzt sind als flächenmäßig große und volkreiche Staaten. Der gelungene Coup Mohammed Buharis und die militärischen Ubergriffe in Staaten wie Tschad (1975, 1982), Mauretanien (1978,1980) und in der Zentralafrikanischen Republik (1980, 1981) beweisen, daß diese These heute keine Gültigkeit mehr besitzt.

Mehr denn je schwebt Afrika heute in der Gefahr, seine demokratischen Bemühungen in der Sackgasse militärischer Machtausübung enden zu sehen. Nur selten hat ein Militärregime seine Macht freiwillig aus der Hand gegeben beziehungsweise Wahlen oder die Existenz politischer Parteien gestattet. Befindet sich ein Staat einmal in dem Dilemma, die Macht aus der zivilen Kontrolle an die-Armee verloren zu haben, so ist die Weitergabe von Uniform zu Uniform bei weitem wahrscheinlicher als die Rückkehr zu einer demokratisch gewählten Regierung.

Selbst nach außen hin stabil erscheinende, zivilregierte Länder wie Kenia, Marokko oder Tansania sind ständig mit der Möglichkeit eines Staatsstreiches der Militärs konfrontiert.

Der plötzliche Tod des tansanischen Ministerpräsidenten Edward Sokoine am 12. April dieses Jahres brachte knisternde Spannung in den politischen Alltag des

Landes. Sollte das Machtvakuum in Dar es-Salaam Anlaß zu einer unvorhersehbaren Wende des politischen Kurses sozialistischer Prägung geben?

Diesmal blieb alles ruhig im „Hafen des Friedens". Tiefe Trauer über den, wie Gerüchte behaupten, von persönlichen Feinden provozierten, tödlichen Verkehrsunfall des vielgeliebten Mannes vom Stamm der Massai, der vorgesehen war, für das Amt des Staatsoberhauptes zu kandidieren, und die gut organisierte Kontrolle strategischer Punkte haben eine allfällige politische Veränderung wahrscheinlich verhindert.

Von den 52 afrikanischen Staaten blieben bisher nur fünfzehn von erfolgreichen Coups verschont: Botswana, Gabun, Gambia, Elfenbeinküste, Kamerun, Kenia, Malawi, Marokko, Mauritius, Mocambique, Senegal, Südafrika, Tansania, Zambia und Zimbabwe.

Gescheiterte Putschversuche sind auf dem Schwarzen Kontinent jedoch wesentlich häufiger als wirklich realisierte: Marokko, Kenia, Tansania und der spektakuläre Putschversuch 1982 auf den Seychellen stehen dafür als Beispiele.

Der Coup-Bazillus bedroht und befällt politisch links- und rechtsorientierte Regime und Offizierskorps in gleicher Weise. Obwohl als Vorwand und Rechtfertigung der putschenden Militärs oft Korruption, schlechtes Management, politische Repressionen und von der früheren Regierung nicht gewährleistete demokratische Rechte an erster

Stelle aufscheinen, waren die Coups in Afrika in den seltensten Fällen ideologischer Natur.

Einfaches Ersetzen der politischen Akteure durch andere ohne offensichtliche Änderung des politischen Kurses war bisher die Regel, die von Ausnahmen wie den radikalen Coups des Leutnant Jerry Rawlings in Ghana (1981) bzw. des Thomas Sankara in Obervolta (1983) bestätigt wird.

Abgesehen von der Kurzlebigkeit afrikanischer Regime ringen die Länder dieses Kontinents noch mit einer Vielzahl anderer gravierender Probleme. Seit langem beeinträchtigen Guerillaaktivitäten die Stabilität ganzer Regionen. Schwelende Bürgerkriege wie in Äthiopien und im Sudan sind weit entfernt von jeder vernünftig erscheinenden Lösung.

Innenpolitischer Druck auf die Staatsbürger, die gelegentliche Anwendung des Kriegsrechtes sowie Stammesfehden zwischen ethnischen Gruppen und nicht zuletzt die unmenschliche Apartheidpolitik Südafrikas verantworten die Tatsache, daß von derzeit fünf Millionen Flüchtlingen auf der ganzen Welt (laut der UN-Flüchtlingskommission) fast die Hälfte aller Heimatlosen in Afrika ihr trauriges Dasein fristet.

Die frühere Unterdrückung und Ausbeutung durch europäische Kolonialherren hat einem harten Ringen um Absatzmärkte für die Produkte westlicher Industrienationen Platz gemacht. Waffenlieferungen ausländischer Mächte und das Schüren innerafrikanischer Konflikte im Kampf zwischen Ost und West um die strategische Vorherrschaft auf dem Schwarzen Kontinent machen es den Afrikanern nicht leicht, sich ihrer jungen Freiheit bewußt zu werden und in eine ruhige Zukunft zu blicken.

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