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Pyrrhussieg fiiir Portugals Sozialisten

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Mit rund 37 Prozent der Stimmen wurden Portugals Sozialisten wieder stärkste Partei des Landes. Mario Soares soll, wie schon von 1976 bis 1978, Regierungschef der Seefahrernation werden.

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Mit rund 37 Prozent der Stimmen wurden Portugals Sozialisten wieder stärkste Partei des Landes. Mario Soares soll, wie schon von 1976 bis 1978, Regierungschef der Seefahrernation werden.

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Das war kein glücklicher Mario Soares, der am Abend des 25. April den Wahlsieg der Sozialisten vor laufenden Fernsehkameras verkündete. Und deutlich standen ihm die Sorgen ins Gesicht geschrieben, als er eine Änderung der bisherigen Politik ankündigte, um das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen.

Der Champagner, mit dem die Anhänger Soares zur selben Zeit auf den Straßen Lissabons feierten, hatte einen bitteren Beigeschmack. Denn der 58jährige Rechtsanwalt und ehemalige Premierminister will nun — wie er vor den Wahlen unverblümt ankündigte — in den ersten hundert Tagen seiner Regierung mit hundert einschneidenden Maßnahmen das portugiesische Staatsschiff vor dem drohenden Untergang retten.

Zuerst will Soares den Canossagang zum Internationalen Währungsfonds antreten. Denn das Land ist mit seinem Schuldendienst in Verzug, insgesamt sind die Portugiesen rund 200 Milliarden Schilling im Ausland schuldig. Gleichzeitig soll der Gürtel enger geschnallt werden: Der Escudo steht vor einer Abwertung,

die Preise sollen erhöht, gleichzeitig die Löhne gesenkt und die öffentlichen Investitionen verringert werden.

Von Verstaatlichungen ist im Programm des Sozialisten Soares keine Rede, ganz im Gegenteil: Neben den seit der Revolution vor neun Jahren nationalisierten Banken sollen auch private Geldinstitute zugelassen werden.

Doch bis der Altmeister der portugiesischen Politik die notwendigen Maßnahmen überhaupt in Angriff nehmen kann, muß er einen Koalitionspartner finden.

Eine Partei hat Soares noch in der Wahlnacht vor die Koalitionstüre gestellt: die Kommunisten unter dem 70jährigen Alvaro Cunhal, deni letzten stalinisti- schen Parteiführer Westeuropas. Und das, obwohl Cunhal durch die von ihm dominierte größte Gewerkschaft des Landes nach wir vor über beträchtlichen Einfluß verfügt, den er durch Streiks in verstaatlichten Großbetrieben und im öffentlichen Verkehr noch knapp vor den Wahlen einmal mehr kräftig demonstrierte.

Kaum in Frage für eine Regierungsbeteiligung kommen die Christdemokraten, die nur mehr mit 29 statt bisher 46 Mandaten im 250köpfigen Parlament vertreten sind.

Wahrscheinlich ist daher die Bildung eines „bloco central“ mit den rechtsliberalen Sozialdemo-

kraten (PSD). Sie haben entgegen allen Erwartungen mit 27 Prozent der Stimmen erstaunlich gut abgeschnitten. Nach dem Rücktritt ihres Premierministers Pinto Balsemao und einer mit für portugiesische Politiker unüblichen Konsequenz durchgeführten Selbstzerfleischung hätte den Sozialdemokraten niemand einen so hohen Stimmenanteil zugetraut.

Die Regierungsbildung vereinfacht das gute Abschneiden der Sozialdemokraten aber kaum, denn gestärkt durch das Wählervotum werden sie keineswegs einen leicht abzuspeisenden Koalitionspartner abgeben. Dazu kommt, daß sich die Verhandlungen mit dem PSD wegen dessen Parteistruktur äußerst schwierig gestalten werden. Die ehemals stärkste Partei des Landes ist heillos zerstritten und konnte sich bei ihrem letzten Parteitag nicht einmal auf einen Vorsitzenden als Nachfolger für den gescheiterten Balsemao einigen. Gleich vier Politiker stehen seither an der Spitze dieser Breitbandpartei.

Doch damit nicht genug: Auch die eigene Sozialistische Partei bereitet dem designierten Premierminister Kopfzerbrechen. Nicht alle führenden Sozialisten stehen geeint hinter Soares, einige von ihnen tendieren sogar zum populären Staatspräsidenten General Ramalho Eanes, dem Intimfeind des Sozialistenführers.

Das alles weiß Soares natürlich seit langem. Nicht zuletzt wegen der geringen Verläßlichkeit der jungen portugiesischen Parteien vertraut er mehr auf eine Zusammenarbeit der Wirtschaftspartner und drängt seit einiger Zeit auf einen „acordo social“, eine Art der Sozialpartnerschaft. Durchaus das österreithische Modell im Auge, predigte Soares im Wahlkampf wiederholt die Notwendigkeit einer maßvollen Lohnpolitik bei verstärktem Engagement der Unternehmer.

Ob er damit Erfolg hat, ist fraglich. Die Kommunisten haben dem „acordo social“ bereits eine Absage erteilt, sie wollen ihre starke Gewerkschaft auch künftig nicht im Zaum halten lassen. Der Unternehmerverband wiederum vermittelt manchmal den Eindruck, als habe er die Entwicklung der letzten neun Jahre von der Diktatur zur parlamentarischen Demokratie nur im Halbschlaf miterlebt.

Die Gegenstrategie des Polit- Profis Soares war schon in den letzten Jahren einerseits auf den Aufbau einer starken sozialisti-, sehen Gewerkschaft und andererseits auf ausgleichende Gespräche mit den Unternehmern ausgerichtet.

Ein baldiger Erfolg ist Soares zu wünschen. Denn wenn er sein Land nicht aus der Lethargie und Wirtschaftskrise reißen kann, könnten andere bereit sein, wieder die starken Männer zu spielen: die Militärs aller Schattierungen etwa, die in ihren allzu groß geratenen Kasernen ausharren.

Und dann ist da auch noch General Antonio Ramalho Eanes. Gerade nach der Verfassungsreform, die sein Präsidentenamt von Einflußmöglichkeiten weitgehend entkleidet hat, würde Eanes ein neuerliches Scheitern von Soares wohl zum Anlaß nehmen, auf eine Präsidialverfassung zu drängen.

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