Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Qual der Wahl
Wohl die größte Herausforderung für die Menschheit ist das Problem des Hungers auf dem kleinen Raumschiff Erde. Dürfen wir daher Flächen, auf denen Nahrungsmittel erzeugt werden, für technische Zwecke verwenden? Machen wir nicht indirekt dasselbe, was die Kolonialmächte taten, als sie anordneten, daß Exportwaren Vorrang vor der heimischen Nahrungserzeugung hätten?
Die Antwort muß ohne Umschweife lauten: Die Nahrungsmittelversorgung hat Vorrang!
Müssen wir also konsequenterweise der Philosophie der nachwachsenden Rohstoffe abschwören? Stehen wir vor dem Dilemma, zwischen Hunger und ökologischer Kreislaufwirtschaft wählen zu müssen? Die Antwort ist — Gott sei Dank - Nein!
Denn: Die Sonnenenergie strahlt mit der unvorstellbaren Leistung von 170 Billionen Kilowatt ein. Obwohl wir derzeit weniger als ein Prozent der einstrahlenden Sonnenenergie in Form von Biomasse binden, verbrauchen wir von der Photosyntheseleistung der Pflanzendeckung der Erde nur etwa 1,5 Prozent für Nahrung und Viehfutter und rund zwei Prozent für technische Zwecke. Zusätzliche fünf Prozent würden genügen, um alle Energiebedürfnisse abzudecken.
Mit insgesamt zehn Prozent pfleglicher, in die ökologischen Kreisläufe eingeordneter Abzweigungen könnten somit alle Rohstoffbedürfnisse gedeckt werden.
Warum dann der Hunger? Weil wir nicht teilen und vor allem in den Entwicklungsländern hausgemachter Rentenkapitalismus (Großgrundbesitzer, die das individuelle Einkommen maximie-ren) und postkoloniale Zustände
(kein Vorrang der heimischen Ernährung vor dem Export von Agrarprodukten) die Bevölkerung ausbeuten und hungern lassen.
Können wir uns daher als gelernte Österreicher in unseren bequemen geistigen Sessel zurückfallen lassen und die ganze Verantwortung der Situation den Entwicklungsländern zuordnen?
Nein, so einfach ist die Sache wieder nicht! Wir sollen in Katastrophenfällen (wie die Dürre in Afrika) mit beiden Händen geben, aber im Normalfall statt dauernder Zwangsbeglückung mit unseren Uberschüssen Hilfe zur Selbsthilfe leisten, statt die letzten Bauern in den Entwicklungsländern mit unseren Hilfslieferungen umzubringen.
Wir brauchen ein flexibles Konzept, das uns ermöglicht, rasch Nahrungsmittelmengen freizumachen und wieder zu binden. Weiters müssen wir bedenken, daß der Hunger in der Welt weitgehend ein Eiweiß- bzw. Proteinhunger ist und wir daher Eiweißfuttermittelimporte zurückdämmen sollten.
Als Antwort au^obige Problematik wurde das Mehrrohstoff -und Mehrzwecksystem für Biosprit entwickelt. Es soll nicht nur die verarmte Fruchtfolge aufreißen, sondern auch gewährleisten, daß im Bedarfsfall die eßbaren Pflanzenteile der Welternährung und die nicht eßbaren, vor allem Zellulose, der Erzeugung eines nachwachsenden Treibstoffes dienen können.
Da bei der Verspritung im Normalfall nur die überschüssigen Kohlenhydrate biochemisch verwertet werden, fällt als Nebenprodukt ein hochwertiges Eiweißfuttermittel an, das Importe züer-setzen vermag.
Daß mit einer solchen Strategie weder die Energie- noch die Eiweiß-Importeure eine Freude haben und alles daransetzen, sie schlechtzumachen, liegt auf der Hand.
Der Autor ist Präsident der österreichischen Vereinigung für agrarwirtschaftliche Forschung.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!