7066471-1992_06_09.jpg
Digital In Arbeit

QUALITÄT BIETEN UND MASSHALTEN

19451960198020002020

Können Theater nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden? Bundestheater-Defizite, hochsubventionierte Landestheater, steigende Finanzspritzen für Klein- und Mittelbühnen belasten die Steuerzahler, - steigende Personalkosten, Material- und Strompreiserhöhungen und anderes die Theater.

19451960198020002020

Können Theater nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden? Bundestheater-Defizite, hochsubventionierte Landestheater, steigende Finanzspritzen für Klein- und Mittelbühnen belasten die Steuerzahler, - steigende Personalkosten, Material- und Strompreiserhöhungen und anderes die Theater.

Werbung
Werbung
Werbung

Zwei Wege des Theaters sieht Robert Jungbluth, einer der beiden Direktoren des Wiener „Theater in der Josefstadt". Der eine Weg geht in Richtung Geschäftstheater, also Unterhaltung als Ware, und wird in seiner extremsten Form am Broadway beschritten. Der andere gründet sich auf der Vorstellung vom Theater als moralischer Anstalt, als bildende und humanitäre Institution. Nur dieser Weg kann die europäische Theaterkultur auch in Zukunft bewahren.

Für Jungbluth war die Sache sein Leben lang klar: der Weg des reinen Geschäftstheaters ist nicht sein Weg und sicher nicht der Weg der Josefstadt. Denn: Theater, die nur den wirtschaftlichen Erfolg anstreben, sind eben Produktionsbetriebe wie alle anderen auch.

„So wie einer Margarine produziert, produzieren die eben Unterhaltung", meint Jungbluth. Das führe dann zu Zuständen wie eben am Broadway, wo es heute fast keine Sprechstücke mehr gebe, weil sie nur selten die notwendige Auslastung bringen. Musicals als perfektes Unterhaltungstheater ziehen besser. Aber auch da ist eine gewisse Verelendung zu spüren. Von rund fünfzig großen Theatern am Broadway werden nur zwanzig bespielt, große Erfolge wie „Cats" und „Phantom of the Opera" kommen aus London.

Diese Absage an das Geschäftstheater bedeutet natürlich nicht, daß man in der Josefstadt - und bei anderen Theatern - die kommerzielle Seite außer, acht läßt. Für Jungbluth ist ein Theater „ein kompliziertes, aber wirtschaftlich geführtes Unternehmen, trotzdem es großer Zuschüsse seitens der öffentlichen Hand bedarf. Weil es diese Zuschüsse hat und weil es sie auch braucht, muß es in besonders sorgfältiger Weise mit den Mitteln umgehen und unterliegt im übrigen den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie jeder andere große Wirtschaftsbetrieb".

Auch wenn das Theater in der Josefstadt keine Gewinne erwirtschaftet - und dazu ist es diesem Selbstverständnis gemäß auch gar nicht da -muß es dennoch wie jede andere Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bilanzen liefern und über Einnahmen und Ausgaben jedes Jahres Rechenschaft ablegen. Die Bilanzen der Theater in der Josef Stadt Betriebsgesellschaft m. b. H. sprechen die klare Sprache der Zahlen. Auch am Theater, wo doch sonst Dichter, Schauspieler und Regisseure am Wort sind.

Im Falle Josefstadt sagen diese Zahlen unter anderem folgendes: Im Jahr 1990 wurden insgesamt rund 236 Millionen Schilling ausgegeben. Vom Theater selbst erwirtschaftet wurden rund 105 Millionen Schilling. Das heißt 44,3 Prozent der insgesamt anfallenden Kosten hat das Theater selbst aufgebracht. Haupteinnahme-quelle ist dabei der Verkauf von Karten und Abonnements, an zweiter Stelle folgen die Einnahmen aus Garderobe, der Verkauf von Programmheften. Am meisten ausgegeben wird für die Schauspieler und die technischen Mitarbeiter.

Die zahlenmäßige Aufschlüsselung des Theateralltages geht aber noch weiter ins Detail. So ist im Geschäftsbericht genau festgehalten, wieviel Rollen jeder engagierte Schauspieler übernommen, an welchen Proben er teilgenommen und wieviele Vorstellungen er gespielt hat. Im Fall der Josefstadt-Schauspielerin Dolores Schmidinger sieht das dann zum Beispiel so aus: vier Rollen hat sie in dem betreffenden Jahr gespielt, zur Erarbeitung dieser Rollen mußte sie 83 mal auf die Probe kommen. 141 mal ist sie dann in einer Vorstellung auf der Bühne gestanden. Das ergibt einen Schnitt von zirka dreimal pro Woche. Eine derartig genaue Aufschlüsselung der Arbeitsleistungen von Mitarbeitern würde sich Jungbluth auch von so manch anderem Unternehmen auch wünschen.

Natürlich ist man auch in der Josefstadt auf die Idee gekommen, „neue" Wege zur Finanzierung zu beschreiten, mit anderen Worten, man hat sich um Sponsoren aus der Wirtschaft bemüht. Jungbluth sieht darin aber längst nicht das große Allheilmittel, als das das Sponsoring manchmal ausgegeben wird: „Das ist weder neu noch originell, das hat es immer schon gegeben." Zumindest hierbei uns habe es immer schon Firmen gegeben, die für das Theater Geld ausgegeben haben.

Das Theater in der Josef Stadt hat im Jahr 1990 2,2 Millionen Schilling von Sponsoren erhalten. Das ist etwa ein Prozent der Gesamtausgaben. Nicht eben viel, wenn man bedenkt, wieviel Unternehmen für Werbung in anderen Medien - und Werbezwecken dient ja auch das Sponsoring-manchmal ausgeben. Und es ist oft sehr zeitaufwendig und mühsam, solcherart zu Geld zu kommen. Noch ein ganzes Jahr danach habe man sich in der Wirtschaft auf den Golfkrieg ausgeredet und auf die Krise, die dadurch entstanden sei.

Erfolg am Theater, der setze sich im Grunde aus zwei Komponenten zusammen, erklärt Jungbluth. Einmal aus der künstlerischen Qualität der Produktionen und dem daraus sich ergebenden Publikumszuspruch. Und zum zweiten aus dem gelungenen Maßhalten mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen.

Das Ziel ist also, möglichst viele künstlerisch hochwertige Produktionen und Vorstellungen zu bieten, mit dem Geld, das eben vorhanden ist. Teils selbst erwirtschaftet, teils aus öffentlichen Quellen zur Verfügung gestellt gerade deswegen, daß die Ware Unterhaltung nicht weniger bequeme Stücke überwuchert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung