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Quecksilber

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Einst hatte man eine Taschenlampe, um nachts in· den Keller zu gehen, und in der Taschenlampe eine Batterie, und die hielt längere Zeit, und damit hatte es sich. Heute sind zehn Batterien pro Jahr und Österreicher überlebenswichtig. So überlebenswichtig wie die damit betriebenen Walkmänner, Taschenund Westentaschencomputer, Kameras, Uhren und so fort. Alles überlebenswichtige Dinge, weil es ohne sie unmöglich wäre, den Überschuß an Arbeitskraft und Investitionsmitteln, mit dem unsere Gesellschaft fertigwerden muß, zu beseitigen. Gleiches Recht für alle unnötigen Produkte: Man braucht kein Volkswirt zu sein, um einzusehen, daß der Verzicht auf computerisierte Kameras, uns im Park zwischen die Beine zischend???? feyng????le ????e Spielzeugaut?§???? Dig1????a1„Pe???? sönenwaägen; Fembedi$ungen aller Art, Mobiltelefone, batteriegepufferte Wetterhäuschen, singende Haustorschlüssel, Musiktelegramme sowie die dafür nötigen kleinen Energiespender der erste Schritt zum Zusammenbruch gan" zer Volkswirtschaften und Massenarbeitslosigkeit bedeuten könnte.

Verglichen mit solchen Risken sind rund sechs Tonnen Quecksilber, 35 Tonnen Cadmium, 78 Tonnen Nickel und 430 Tonnen Zink aus den jährlich verkauften 76 Millionen Batterien ein Klacks, dürfte sich mancher denken.

Aber die Umweltschützer machen Druck. Und das Bewußtsein, daß Batterien besonders tückische Problemstoffe enthalten, belastet ????2n inneren Frieden der Käufer. Die Schadstoffe können reduziert werden, ganz los wii-d mansie nicht. Da unsere Industriegesellschaft keineswegs beabsichtigt, demnächst sanft zu entschlafen, würde das Wegwer???? fen von Altbatterien mit redu.iiertem Schadstoffgehalt bedeuten, da.ß wir ein Problem, mit dem wir jetzt nicht fertigwerden, unseren Kindern aufhalsen. Außerdem rechnete die Zeitschrift „Umweltschutz" ihren Lesern kürzlich vor, daß die schadstoffreichen Batterietypen erst in fünf Jahren vom Markt verschwunden sein werden. Daher muß etwas geschehen - jetzt.

Zwei einander ergänzende Kon:.. zepte zur Bewahrung der Umwelt vor Batterie-Schwermetallen werden diskutiert: Ein Pfandsystem - der Preisaufschlag soll dafür sorgen, daß das Wegwerfen leerer Batterien wirklich im Geldbeutel schmerzt. Und Recycling der Altbatterien, Rückgewinnung der Schwermetalle.

Wer es nicht schon gehört hat, wird schwerlich erraten, was bü;her mit den auf freiwilliger Basis gesammelten Altbatterien geschah: Sie wurden mit Kosten von 6.000 Schilling pro Tonne (also ganzen sechs Schilling pro Kilogramm) in die DDR geschafft und dort - vergraben. Die DDR-Bürger wurden

nicht gefragt, ob sie Müllschlucker sein wollten. Hoffentlich kann man dieses Verfahren bald vergessen. ·

rAndererseits zahlt sich das Recycling nicht aus, weil auf freiwilliger Basis noch immer zuwenige Altbatterien abgegeben werden. Die VOEST hat mit 15 Millionen Schilling Kosten die Rückgewinnung des Quecksilbers aus bisher vier Tonnen Knopfzellen erprobt. Die TU Graz befand das Verfahren für umweltverträglich. Im großtechnischen Maßstab würde die Aufbereitung 22 Schilling pro Kilogramm Altbatterien kosten - einen Anfall. von jährlich mindestens 2.000 Tonnen vorausgesetzt. 2.600 Tonnen Batterien fallen jährlich in Österreich an, abgegeben wird ein Bruchteil davon.

Und das Bewußtsein, die Umwelt zu belasten, wenn man eine Batterie in den Müll wirft, nimmt ab. Denn auf immer mehr Batterien steht wörtlich drauf, daß man es · darf, weil der Quecksilbergehalt drastisch reduziert wurde. Das Problem dabei: Viel oder wenig Quecksilber, es verschwindet nicht mehr aus der Umwelt und seine Wirkung auf das Leben ist überaus tückisch. Wobei ein trügerisches gutes Gewissen obendrein noch den Batterieverbrauch fördern dürfte.

Jüngster Stand: Umweltministerin Marilies Flemming will Herstellern, Handel und Verbrauchern ein Jahr Zeit geben, zur Vernunft zu kommen. Vernunft heißt: Sammeln von mindestens 80 Prozent aller Altbatterien. Kommen die nicht zurück, soll ein effizientes Pfandsystem eingeführt werden.

Die Batterielobby konfrontiert unterdessen die Batterie- und Informationskonsumenten mit eigenen Vorschlägen: Sammeln der gefährlichsten Knopfzellen und auf- 1adbaren Batterien - auf freiwilliger Basis. Recycling im Ausland.

Kein Sammeln der anderen Batterien, weil die zum Recycling gelangenden Mengen ausgedienter Aufladbatterien nur ein Prozent ·anderer Batterien enthalten dürfen und das Sortieren zu teuer wäre. Und vor allem kein Pfand; weil das zu kömpliziert wäre: Die Leute könnten dann hier das Pfand für im Ausland pfandfrei erworbene Batterien kassieren. Eine Pfandmarke und dergleichen aber wäre dem Konsumenten „nicht zumutbar". Die neuen Batterien seien, wie gesagt, ohnehin um 95 Prozent schadstöffreduziert.

Eine heute nicht mehr zumutbare Quecksilberbelastung der Umwelt soll also nicht gestoppt, sondern auf einen zwanzigmal so langen Zeitraum verteilt werden. Der Schaden tritt nicht schon in fünf, sondern erst in hundert Jahren ein. Dieses Verfahren würde so wirken wie die riesigen Rauchfänge, die Schadstoffe über weite Räume verteilen - es würde sie auf andere Generationen verteilen.. .

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