Allora andiamo!

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In Zeiten der Teuerung mutieren Tischdecken zu einer bedrohten Art. Eine Kolumne über Gastfreundschaft und den gemeinen Italiener.

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In Zeiten der Teuerung mutieren Tischdecken zu einer bedrohten Art. Eine Kolumne über Gastfreundschaft und den gemeinen Italiener.

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Letztens gehen meine Kollegin und ich in der Mittagspause zum Italiener um die Ecke. Wir steuern auf einen Tisch zu, der mit einer Tischdecke bedeckt ist. Doch der Gastwirt hält uns zurück. Barsch, wenig galant. Er klärt uns auf, dass der Tisch mit Tischdecke für einen Gast reserviert ist, der extra für die Tischdecke bezahlt. Theoretisch, so erläutert er uns, könnten wir auch eine Tischdecke bekommen – allerdings nur, wenn wir die Extrakosten trügen.

Wir schütteln den Kopf und setzen uns angesäuert an einen Tisch ohne Tischdecke. Bei der Bestellung fragen wir provokant, ob wir uns darauf verlassen können, dass Teller, Besteck und Servietten im Pizzapreis inkludiert sind. Der Gastwirt nickt missmutig.

Die Tischdecke war ja früher so eine Art Distinktionsmerkmal. Wer es sich leisten konnte, bedeckte seinen sehr feinen Tisch mit einem noch feineren Tuch. Der besagte italienische Gastwirt scheint allerdings weniger seine Tische als seine Tischdecken schützen zu wollen. Er ist kein Einzelfall. In Internetforen wird zwar weniger von Gastwirten berichtet, die extra für eine Tischdecke kassieren – dafür aber von jenen, die die Reinigung der Tischdecke in Rechnung stellen.

Man stelle sich vor, meine Kollegin und ich hätten uns eine Tischdecke geleistet und Pizzasoße draufgekleckert. Dieses Schlitzohr hätte uns ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.

Der Gast, der den Tisch mit der Tischdecke reserviert hatte, tauchte übrigens nie auf. Aber der Gastwirt kann ja eine Stornogebühr verrechnen. Ob er sich auch seine Mühsal mit der Tischdecke abgelten lassen kann? A chi vuole, non mancano i modi – wer will, findet Wege, sagt der gemeine Italiener. Also dann: Allora andiamo!

Lesen Sie auch die Quint-Essenz "A weng ausgflippt" oder "Von Mausmägen und Klimasündern".

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