Bäume schreien nicht

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Wie Wellness, Erziehung und Quantenphysik zusammenhängen.

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Wie Wellness, Erziehung und Quantenphysik zusammenhängen.

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Meine Freundin Elisa und ich waren in den Ferien Strohwitwen. Kinderlose Strohwitwen. Männer und Kinder vertschüssten sich zu den Omas, wir blieben in Wien. Für den Sonntag verabredeten wir uns im Wellnessbereich einer Therme. Wir tratschten, lachten und erklärten inflationär, wie sehr wir uns diese Auszeit verdient hätten. Dann zog Elisa einen Erziehungsratgeber aus der Tasche. Der Titel: „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“. Selbstgefällig dachte ich, dass unsere Elterngeneration tatsächlich einiges hätte besser machen können. Ich erwartete mir von dem Buch nicht weniger als die Bestätigung meiner eigenen Ansichten.

Fehlanzeige! Bereits eine der ersten Passagen trieb uns die Blässe ins Gesicht. Es ging darin um Mütter, die die Abwesenheit ihrer Kinder genießen können. Frauen wie diesen – also uns – attestiert die Autorin ein massives Problem: Die Beziehung zum eigenen Kind sei dysfunktional. Dysfunktional. Was für ein abscheuliches Wort. Die deutsche Übersetzung des Fachwortes – gestört – klingt allerdings auch nicht besser ...

„Wenn ein Baum im Wald umfällt, und niemand ist da, um es zu hören, macht der Baum dann ein Geräusch?“ Ein Zen-Meister hat diese Frage einmal seinen Schülern gestellt. Diese bejahten. Doch der Meister schüttelte den Kopf, berief sich auf die Quantenphysik. Der zufolge beginnt Realität erst dann zu existieren, wenn sie gemessen wird. Würde der Baum schreien, dass er umfällt, und es käme jemand angelaufen, um ihn zu beobachten, dann wäre das Geräusch real. Würden Elisa und ich den Kindern auf die Nase binden, dass wir einen Mordsspaß ohne sie haben können – sie wären gekränkt. Der Clou ist: Wir behalten diesen Teil der Realität für uns. Wir sind schließlich nicht komplett gestört.

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