Bleib mir doch vom Hals

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Brigitte Quint durfte beim Friseur nicht über Corona sprechen. Stattdessen musste sie die Liste ihrer Problemzonen um einen Punkt erweitern.

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Brigitte Quint durfte beim Friseur nicht über Corona sprechen. Stattdessen musste sie die Liste ihrer Problemzonen um einen Punkt erweitern.

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Letztens hatte ich einen Friseurtermin. Weil meine Friseurin Corona hat, wurde ich auf eine Kollegin umgebucht. Auf meinem Frisiertisch stand ein Kärtchen mit einem Bild von „Dick und Doof“ (also Stan Laurel und Oliver Hardy).

Über den Köpfen des Komiker-Duos stand „PSST!“ und weiter unten „Kein Corona Talk!“. Ich kommentierte das Kärtchen als originell. Die Ersatzfriseurin zuckte nur mit den Schultern, was so viel hieß wie: „Kein Corona Talk!“ bedeutet auch, kein Talk über das „Kein Corona Talk!“-Kärtchen! Also schwieg ich betreten.

Im Gegensatz zur Friseurin. Während sie an meinen Haaren herumhantierte, erklärte sie, welcher Schnitt meinen Hals schmaler wirken lassen würde. Auf keinen Fall dürfe man meine Haare nach vorne hin zu kurz schneiden, meinte sie. Sie plädierte dafür „die betroffene Partie optisch zu strecken.“ Bis dato dachte ich, ich wäre über meine Problemzonen im Bilde. Und die Liste ist echt lang. Dass ich einen dicken Hals habe, war mir tatsächlich neu.

Es sind die alltäglichen Verhängnisse, auf die die „Laurel & Hardy“ Reihe setzt. Zwei Stilmittel gelten als prägend: das Scheitern (an einer scheinbar leichten Aufgabe) und die Zerstörung. Wäre mein Friseurtermin ein „Dick und Doof“-Streifen gewesen, der Drehbuchautor hätte spätestens nach der Halsszene einen Plot-Point, also einen dramaturgischen Wendepunkt, eingebaut.
Nachdem das Bestreben, das Thema Corona zu vermeiden, in einem rhetorischen Fettnapf endet (Scheitern), hätte ich zum Beispiel mit einer Haarspraydose auf die Friseurin losgehen können (Zerstörung). Die wiederum hätte sämtliche Farbschüsseln über mir ausgeleert. Ein anderer Kunde hätte dann ein „Corona! Corona! Corona!“ durch ein Megaphon posaunen können. Am Ende wären sämtliche Personen im Salon auf der glitschigen Farbmasse ausgerutscht und übereinandergelegen.

Meine Frisur ist halbwegs gelungen. Die Friseurin hingegen ist bei mir unten durch. Hätten wir über Corona gesprochen, ich wette, mein Hals wäre jetzt weniger dick.

Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Bäume schreien nicht" oder "Was glücklich macht".

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