Die Faulheit des Trägers

19451960198020002020

Warum zu Teufel tragen alle dunkle und farblose Winterjacken? Über das Seelenleben der Allgemeinheit und die Zielunorientiertheit der Autorin.

19451960198020002020

Warum zu Teufel tragen alle dunkle und farblose Winterjacken? Über das Seelenleben der Allgemeinheit und die Zielunorientiertheit der Autorin.

Werbung
Werbung
Werbung

Bruno Bötschi. Er arbeitet für ein Schweizer Onlineportal – und hat mir viel Arbeit erspart. Ich wollte eben loswettern, dass die Leute in der U-Bahn, auf der Straße, in den Wartezimmern, im Supermarkt fast ausnahmslos in Schwarz, Grau oder Dunkel-Dunkel-Khaki gekleidet sind. Kurzum: Eine kollektive Allergie gegen Farben scheint umzugehen. Ganz besonders gegen Ende des Winters, wenn die Hoffnung auf Frühling langsam zu keimen beginnt.

Diese Phase geht bei mir meist mit einer Verkühlung einher. Ich kleide mich luftiger und bunter, obwohl es noch zu kalt ist. Also für das luftig. Nicht für das bunt. Womit wir wieder bei Bruno Bötschi wären. Der stört sich ebenfalls an der trostlosen Bekleidung seines Umfeldes. Im Gegensatz zu mir grantelt er nicht in eine Kolumne hinein, sondern geht konstruktiv an die Sache heran.

So interviewte er einen Farbforscher, der erklärte: Das Innere würde nach außen gekehrt; und in der kalten Jahreszeit wäre eine gewisse Gemütstristesse festzustellen. Eine Designerin sagte zu ihm, dass dunkle Langweilerfarben Pölsterchen verdeckten, die sich über den Winter angesammelt hätten. Der Stilexperte Jeroen van Rooijen schiebt die farblose Kleiderwahl auf die Faulheit des Trägers. Weil sich gedeckte Töne einfacher kombinieren ließen. Und weil es in der Kälte eben viel zu kombinieren gäbe, handle der modeunbewusste Normalbürger zielorientiert. Aber stillos.

Ich trage heute ein rotes Shirt und einen pinken Blazer. Die Farben beißen sich. In der morgendlichen Hektik ist mir das nicht aufgefallen. Nun sitze ich da wie ein Paradiesvogel. Zielunorientiert; gewollt und nicht gekonnt; kunterbunt. Bruno Bötschi, falls es Sie interessiert: Mein Seeleninnenleben ist damit hinlänglich beschrieben.

Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Es geht dir gut! Aus die Maus." oder "Nase kratzen, lächeln!".

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung