Dilemmata mit Ōe

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Brigitte Quint kennt Monika, aber die kennt Hanna nicht. Hanna wiederum dürfte sich für Ōe begeistern. Ob das Monika auch tut, weiß keiner. Vermutlich auch Maria nicht. Von schwarzen Schafen und Rüschenkleider-Quintetts.

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Brigitte Quint kennt Monika, aber die kennt Hanna nicht. Hanna wiederum dürfte sich für Ōe begeistern. Ob das Monika auch tut, weiß keiner. Vermutlich auch Maria nicht. Von schwarzen Schafen und Rüschenkleider-Quintetts.

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Nennen wir sie Monika, Maria, Martina und Melanie. Gemeinhin schreibt man an dieser Stelle, dass die Frauen ihre echten Namen nicht in der Zeitung lesen wollen. Das wäre in diesem Fall falsch. Weil ich nicht weiß, ob es wirklich so ist. Das wiederum würde den jüngst verstorbenen Literaturnobelpreisträger Kenzaburō Ōe mitnichten wundern, was ihm den Argwohn seiner Landsleute einbrächte.

Aber von vorn: Ich habe einen Beitrag zu Ōe im Radio gehört. Es ging um die japanische Vorstellung, die eigene Identität sei vor allem von jenen Gleichaltrigen, mit denen man seine Volksschulzeit verbracht habe, geprägt. Die Japaner nennen diesen Kreis „Karupazu“ und wüssten diesen zeitlebens zu huldigen. Ōe sah das differenziert, was ihn zum „schwarzen Schaf“ gemacht hat. Mitunter.

In mein „Karupazu“ müssten Monika, Maria, Martina und Melanie hinein. Wir verbrachten die ersten Schuljahre gemeinsam, feierten als Rüschenkleider-Quintett Erstkommunion. Von Martina weiß ich, dass sie einen Holländer geehelicht hat, unlängst eine späte Mutter geworden ist. Monika wiederum lebt getrennt von einem Ostdeutschen. Das ist der Klatsch, den mir Verwandte zutragen. Bei Maria und Melanie habe ich gar keinen Schimmer, was aus ihnen geworden ist.

Während der Ōe-Sendung musste ich folglich an keine dieser Frauen denken. Ich hatte Hanna im Kopf. Eine Südtirolerin, die in meiner Straße wohnt und mit einem Japaner verheiratet ist. Die Ōe-Story hätte auch ihr Interesse geweckt. Also schicke ich ihr den Link. Wie schräg wäre es, wenn ich ihn ebenso meinem „Karupazu“ zukommen ließe. Sozusagen aus dem Nichts. Dass ich das nicht tue, hat mehr mit Monika als mit Hanna zu tun. Letztere täte es vielleicht sogar. Ob ihrer Identität eben.

Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Kausal scheinheilig" oder "Klappe zu (lassen)".

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