Feenhafte Werte

Da ist dieser Bub. In rosa Strumpfhosen. Die Mutter hält Bubenkleidung für Geldverschwendung. Sie habe ja noch alles von der Tochter. Ohnehin findet sie, Kinder sollten nicht stereotyp weiblich oder männlich erzogen werden.

Dem kann ich etwas abgewinnen. Wieso sollten Mädchen automatisch glitzernde Einhornkleidchen mögen und Buben Baggermotive? Kein Mensch wird mit einem Hang zum Einhorn oder Bagger geboren. Umgekehrt lieben alle Kinder Glitzer. Bis man es einem Teil von ihnen ausredet.

Dem Buben in Strumpfhosen hat es niemand ausgeredet. Mittlerweile reichen seine Haare bis zur Schulter. Seine Nägel sind pink lackiert. Prinzessin Lillifee ist das dominierende Stilelement seiner Kleidung.

„Diese Mutter ist vollkommen bescheuert.“ Das war mein erster Gedanke. „Der Bub kann einem leidtun.“ Das war mein zweiter. Gleichzeitig weiß ich es selbst nicht besser. Ich bin empört darüber, dass gesellschaftliche Erwartungen die Entwicklung eines Kindes beeinträchtigen. Dennoch begreife ich Menschen, die stets aus der Reihe tanzen, als Sonderlinge. Daher schlängle ich mich durch dieses Stereotypenvermeidungsthema durch.

Als mein Sohn klein war, kleidete ich ihn weder in Blau, noch in Rosa, sondern in Gelb. Seine Haare sind weder raspelkurz noch lang. Als er mit meinen alten Barbies spielte, war ich gerührt. Als sein Cousin sich darüber lustig machte, fühlte ich mich beschämt.

Der Bub in rosa Strumpfhosen. Vielleicht wird er der Glücklichste von allen. Oder verhaltensauffällig. Oder Chef der Prinzessin-Lillifee-Company. Jedenfalls wird er lernen müssen, mit den Macken seiner Mutter umzugehen. Das bleibt auch meinem Sohn nicht erspart. Ebenso wenig den Buben in Baggerkleidung.

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