Handysüchtiger Gorilla: Der Zeitgeist geht im Zoo um

Amare ist handysüchtig. Er lebt in Chicago. In einem Zoo. Er ist 16 Jahre alt – und ein Flachlandgorilla. Seine Bildschirmzeit ist ungefähr so lange wie die Öffnungszeiten des Zoos. Denn die Besucher haben irgendwann mitgekriegt, dass Amare geradezu danach lechzt, Clips anzusehen. Am liebsten von Haustieren. Also wetteiferten die Menschen um Amares Aufmerksamkeit. Stundenlang hielten sie ihm ihre Smartphones vor die Nase.

Das wiederum führte zu sozialen Problemen. Für Amare. Seine Stellung im Gruppenverband drohte zu kippen, seine kooperativen Fähigkeiten verkümmerten. Vor allem den anderen männlichen Gorillas im Gehege war das ein Dorn im Auge. Sie begannen, ihren geistig abwesenden Mitbewohner zu attackieren. Schließlich schritt der Zoodirektor ein. Er ließ ein Absperrseil installieren, das nun die Besucher und deren Handys auf Abstand hält.

Theodor Tierlieb. So heißt der Zoodirektor von Benjamin Blümchen. Es wäre jetzt gelogen, wenn er es gewesen wäre, der mich an den Geschichten am meisten fasziniert hat. Es war Karla Kolumna. Sie hat quasi den Grundstein für meinen Berufsweg gelegt. Aber Karla Kolumna musste eng mit Theo Tierlieb zusammenarbeiten.

Auch wenn Benjamin die Plaudertasche war – ohne Tierliebs Segen wäre kein Satz über den Zoo gedruckt worden. Er übernahm die Verantwortung. Wie Kevin Bell. Tierliebs Pendant in Chicago, der seinen Affen via Absperrseil vor dem Zeitgeist schützt.

Schon klar, wäre Amare in freier Wildbahn, würden ihn Handys peripher tangieren. Kindern geht es ja genauso, wenn man sie rausschickt in die Natur. Die bräuchten ein Aufsperrseil. Oder Erwachsene, die Verantwortung übernehmen.