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Huldigung an ein Göttergeschenk

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Wer dieses Buch über Schokolade liest, sollte eine Tafel von der feinsten Sorte in Reichweite haben und alles vergessen, was er über bedenkliche Folgen des Genusses gehört und gelesen hat. Hier ist Freude am Genuß angesagt.

Die Schokolade haben natürlich die Götter gebracht. Das wußte schon der alte Montezuma, der sich mit dem braunen Getränk stärkte, bevor er in seinen Harem ging. Der freundliche Azteken-Gott hieß Quetzalcoatl und kam aus dem Lande das Goldes, wo die Sonne sich nachts zur Ruhe legt. Aber die Menschen nahmen die göttliche Herkunft des Tranks so ernst, daß sie einem Gefangenen, den sie opfern wollten, eine Schale davon kredenzten, bevor sie ihm das Herz herausrissen.

Man weiß nicht genau, wie die süd-und mittelamerikanischen Ureinwohner, die seit 600 vor Christus Kakaoplantagen kannten, das braune Pulver mischten und würzten. Montezuma jedenfalls liebte es süß, mit - Honig, Vanille und anderen Gewürzen. Bisweilen schickte er schnelle Boten in die Berge, um Schnee zu holen - für Schokoladeeis.

Das mag dem Hernan Cortes auch geschmeckt haben, jedenfalls brachte er die Kakaobohne nach Spanien, wo sie fast ein Jahrhundert lang exklusiv genossen wurde. Nicht einmal britische und holländische Seeräuber wußten etwas damit anzufangen. Wenn sie ein spanisches Schiff gekapert hatten, warfen sie die Bohnen achtlos über Bord. Spanische Prinzessinnen, die ins Ausland heirateten, zuerst nach Paris, sorgten für Verbreitung.

Mit der Erotik blieb die Schokolade in Verbindung. Eine Mätresse brachte damit ihre Liebhaber in Stimmung, Madame Pompadour bekämpfte damit angeblich ihre eigene Frigidität. Immer wieder findet man auf Salon-und Boudoir-Bildern des 18. und 19. Jahrhunderts Kakaogeschirr in zarten Händen. Am berühmtesten wurde „La Belle Chocolatiere" von Jean-Eti-enne Liotard, der 1743 aus der Schweiz nach Wien kam, um die Familie Maria Theresias zu porträtieren.

Da lernte er auch die schöne Kammerfrau Nandl Baldauf kennen und malte sie als „Das schöne Schokoladenmädchen", dessen Original in Dresden hängt, das aber unzählige Male reproduziert wurde, vor allem für die Schokoladenwerbung.

Denn mit der Exklusivität war es im 19. Jahrhundert vorbei, wie Mar-cia und Frederic Morton in ihrem Buch „Schokolade" erzählen. Seit alters her wird übrigens immer wieder versichert, daß sie nicht dick mache. Erst im frühen 19. Jahrhundert wurde die Eßschokolade bekannt und verbreitete sich neben der Trinkschokolade. Bald stand die Dampfmaschine im Dienst der Herstellung, vor allem für die diversen Mahlvorgänge. 1828 wurde in Potsdam „Dampfschokolade" hergestellt. Die letzte Verfeinerung wird dem Schweizer Budolphe Lindt zugeschrieben. Die Tafeln sollten kräftig und weich zugleich sein. Andere Pflanzenfette schmelzen bei Zimmertemperatur, Kakaobutter bleibt bis etwa 34 Grad Celsius fest. Lindt fand heraus, daß er durch Zusatz einer bestimmten Menge Kakaobutter Schokolade erzeugen konnte, die einen vollen Geschmack hatte, aber fest-blieb, bis sie auf der Zunge schmolz.

Mit der Zeit hatte jeder Hersteller seine eigenen Rezepte zum Bösten der Bohne, zum Kneten der Masse, zum Mischen mit allerlei Zutaten. Die weiße Schokolade besteht nur aus Kakaobutter mit Milch und Zucker.

Die Schweiz wurde bald führend in der Schokoladenproduktion und blieb es. Deutschland steht ihr nicht weit nach. So konnte Stollwerck durch den Einsatz von Automaten nicht nur den Absatz erhöhen, sondern auch die Ladenschlußordnung durchbrechen. Natürlich vergessen die Mortons auch nicht die Wiener Süßigkeiten und widmen dem Sachertorten-Krieg ein eigenes Kapitel.

Der Amerikaner Hershey gründete sogar eine eigene Stadt, wo seine 6.000 Arbeiter mit ihren Familien wohnen konnten - aber nicht mußten. Der ständig über den Siedlungen und diversen sozialen Einrichtungen liegende Schokoduft mochte nicht jedermanns Sache sein.Merkwürdig ist, daß schon die alten Azteken ihre Krieger mit Schokolade fütterten, damit sie kräftig wurden. Bis heute gibt es Schokolade für den Fronteinsatz und als „Eiserne Bation" für Situationen, wo der Soldat von normaler Verpflegung abgeschnitten ist.

Wenn die Schweiz beim Verbrauch von Schokolade an der Spitze steht, gefolgt von Norwegen, Österreich und Deutschland, mögen Einkäufe von Touristen eine Rolle spielen. Aber stetige Qualität braucht wohl eine Basis bei den einheimischen Feinschmek-kern. Es müssen ja nicht gleich mehrtägige Schokolade-Festivals sein, wie sie in Amerika veranstaltet werden.

SCHOKOLADE-KAKAO, PRALINE & CO

Von Marcia und Frederic Morton. Verlag üeuticke, Wien 1995.144 Seiten, viele Bilder, geb., öS. 498.-

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