Impfen: Einladung nur mit altmodischem Vornamen

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In Niedersachsen werden Betagte über ihre Vornamen ausgekundschaftet. Wenn sich diese Methode etabliert, dann glaubt Brigitte Quint in 40 Jahren ein Problem zu haben.

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In Niedersachsen werden Betagte über ihre Vornamen ausgekundschaftet. Wenn sich diese Methode etabliert, dann glaubt Brigitte Quint in 40 Jahren ein Problem zu haben.

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Irgendein datenschutzrechtlicher Grund hat in Niedersachsen dazu geführt, dass man nicht alle über 80-Jährigen auskundschaften konnte – für die schriftliche Impfeinladung. Also suchte die Beamtenschaft über eine Vermietdatenbank der Post nach Hochbetagten. Weiß der Kuckuck, warum das gestattet ist. Jedenfalls versuchten sie, von den Vornamen auf das Alter zu schließen. Heiße Kandidatinnen waren jene, die Ursula, Ingeborg oder Gertrude heißen. Bei den Männern bekamen Heinz, Horst oder Herbert den Zuschlag.

Als mir diese Meldung unterkam, schauderte es mir. Wenn in 40 Jahren wieder eine Seuche ausbricht und sich diese Such-Methode etabliert hat, dann gehe ich leer aus. Ich wäre eine Ü-80-Jährige und niemand würde mich finden. Man würde denken, ich wäre längst tot. Brigitte war schon altmodisch, als ich geboren wurde. Ende der 70er Jahre lauteten die angesagten Mädchennamen Stephanie, Julia oder Katja. Brigitte hießen deren Mütter. Oder die Mütter der Typen, die mich später in der Disco anquatschten. Wie oft hat mich ein Kerl nach meinem Namen gefragt und nach der Antwort schmunzelnd erklärt: „Wie meine Mutter.“ Abtörnender geht’s kaum. Schlimmer waren nur die Anspielungen auf die Sex-Bombe Brigitte Bardot. Jahrgang 1934!

Weil sie sich als zu alt für die Leinwand empfindet, wird sie vom Boulevard als „Frankreichs verbitterter Schmollmund“ geschmäht. Lebte Bardot in Niedersachsen, hätte sie nun eine Impfeinladung im Briefkasten. So wie das 2061 bei den Stephanies, Julias und Katjas der Fall sein wird. Ich dagegen darf ab jetzt, falls mir das Leben lieb ist, nie wieder mein wahres Alter verheimlichen. Und Niedersachsen ist für mich sowieso zur Tabuzone geworden.

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