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Life“ ohne Leben

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Der Würgengel des Zeitungssterbens greift nach einer der größten Illustrierten der Welt: nach dem amerikanischen Blatt „Life“. Diese Zeitschrift, die zum Vorbild aller Illustrierten in der Welt wurde, hat heute immer noch die für Europa unvorstellbare Auflage von 8,600.000 Exemplaren pro Nummer. Genaue Umfragen ergaben, daß mindestens 38 Millionen Amerikaner jede Nummer dieses Wochenblattes lesen. „Life“ trieb für seine Arbeit soviel Aufwand wie möglich. Es kam vor, daß das Blatt irgendwohin in die Welt ein ganzes Fhototeam sandte, um einen Spezialbericht zu „schießen“, und daß dann von den gemachten 4000 Photos nur 29 verwendet wurden. Immer die unglaublichsten Dinge bringen, immer die ersten und besten Berichte veröffentlichen — dies war die Devise dieser Illustrierten. Der Erfolg beim Lesepublikum blieb nicht aus.

Aber trotz der hohen Auflage, die nicht sinkt, scheint das Blatt dem Ende entgegenzurollen. Denn ein Blatt lebt nicht nur vom Leser allein. Die Bezugsgebühren decken immer nur einen Teil der Herstellungskosten einer Zeitung. Der große Rest, der durch die überall steigenden Gehälter bei Journalisten und im graphischen Gewerbe ständig steigt, wird bei Blättern, die politischen Gruppen gehören, meist durch Subventionen gedeckt. Bei anderen Zeitungen und Zeitschriften müssen die Lücke die Eingänge aus dem Inseratengeschäft schließen. Und hier liegt der Grund, warum „Life“ das Leben auszugehen droht: die Eingänge aus dem Inseratengeschäft werden immer weniger. Denn die großen Inseratenaufträge wandern weg von den Zeitungen und Zeitschriften zum Fernsehen: eine Seite Inserat im Vierfarbendruck kostet im „Life“ 64.200 Dollar, eine Sendeminute Reklame im US-Fernsehen 42.000 Dollar. „Life“ wird von 38 Millionen gelesen, das Fernsehen von mindesten 50 Millionen US-Bürgern alltäglich benützt. Die Überlegung für viele große Inserenten ist klar: Da die Inserate im Fernsehen billiger sind und von mehr Menschen gesehen werden, als dies auch bei noch so auflagenhohen Zeitschriften möglich ist, geben die großen Firmen ihre Inserate natürlich lieber dem Fernsehen. Aus dem gleichen Grund schon gingen die bekannten amerikanischen Magazine „Collier's“ und „Saturday Evening Post“ zugrunde, deshalb gehen beim „Reader's Digest“ immer weniger Anzeigen ein und deshalb kränkelt auch „Life“. Möglicherweise ist es eine Krankheit zum Tode. Und „Life“ — welches Wort in deutscher Übersetzung ja Leben heißt — wird eines Tages ohne Leben sein.

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