Zelebrierte Uneinigkeit

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Ein Geschenk ist eine Botschaft. Davon ist Brigitte Quint überzeugt. Eine Kolumne über Ungesagtes und das offene Wort, das es in der Weihnachtszeit auszutauschen gilt.

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Ein Geschenk ist eine Botschaft. Davon ist Brigitte Quint überzeugt. Eine Kolumne über Ungesagtes und das offene Wort, das es in der Weihnachtszeit auszutauschen gilt.

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Warum sind so viele so scharf aufs Schenken und Beschenktwerden? Gerade und vor allem zu Weihnachten. Auch mein Ehemann gehört zur Fraktion „Pro-Weihnachtsgeschenk“. Zu meinem Leidwesen. Jedes Jahr aufs Neue versuche ich ihm einzureden, dass wir uns das mit dem Schenken sparen sollten. Das Kind, ja. Das kriegt Geschenke. Aber warum wir?

Mein Mann ist auf diesem Ohr taub. Er will ein Geschenk. Schlussaus-basta. Das Geschenk muss weder teuer noch originell sein. Hauptsache, es ist ein Geschenk. Und als solches verpackt.

Früher hat mein Vater meiner Mutter gefühlt jedes Weihnachten einen Pullover geschenkt. An dem Pullover baumelten bunte Pailletten. Oder Glitzersteine. Oder er hatte Puffärmel. Jedenfalls war es ein auffälliger Pullover. Der Kleidungsstil meiner Mutter ist seit jeher unprätentiös. Sie bevorzugt zeitlose Schnitte, gedeckte Farben. Auf das Geschenk meines Vaters reagierte sie dementsprechend verhalten. Das merkte er natürlich.

Sie könne den Pullover ja umtauschen, sagte er dann. Das tat sie auch. Manchmal. Was meinen Vater kränkte. Oder sie behielt den Pullover. Und zog ihn nie an. Was meinen Vater ebenfalls kränkte. Ich könnte schwören, die Causa Pullover haben meine Eltern bis heute nicht ausdiskutiert – besser gesagt, die Botschaften, die damit hin- und hergeschickt wurden.

Mein Vater hätte sich von meiner Mutter einen Tick mehr Klimbim gewünscht. Sie dagegen hätte gewollt, dass er sie akzepiert, wie sie ist: bescheiden und unaufdringlich. Was mein Mann von mir will, ist klar: ein Geschenk. Das Ritual des Schenkens gehört zum Fest wie der Christbaum. So lautet seine Botschaft.

Ich habe von meinen Eltern gelernt, dass man nicht immer einer Meinung sein muss. Aber diese Uneinigkeit wird in meiner Ehe ausdiskutiert, zelebriert. Jawohl. Jahr für Jahr. Darauf lege ich Wert!

Lesen Sie auch die Quint-Essenz "Codes aus der Höhle" oder "Kausal scheinheilig".

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