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Quo vaditis Austriae libriEin Maler wider Willen

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Ein Aphorismus aus der Verlagsbranche besagt, daß Verleger Leute seien, die Sekt aus den Gehirnschalen ihrer Autoren trinken. Bei vielen österreichischen Buchmachern reicht es am Beginn der neunziger Jahre nur mehr zum Kracherl -bevor es kracht. Die österreichischen Verlage sind in die Schlagzeilen gekommen. Aber nicht, wie es ihnen recht wäre, mit guten Büchern, sondern auf den Wirtschaftsseiten, mit erklecklichen Verlusten.

Tatsache ist, daß noch nie so viele Bücher produziert, verkauft und wohl auch gelesen werden wie heute. Faktum ist aber auch, daß immer mehr österreichische Verlage Unterschlupf bei großen deutschen Verlagskonzernen suchen (Orac) oder gänzlich aus den Regalen verschwinden (Tusch, Herold). Der schon vor seinem Verkauf an die „Perry-Rhodan-Verlagsgrup-pe” (Erich Pabel/Arthur Moewig KG) nicht mehr in österreichischer Hand befindliche Paul Zsolnay Verlag, der in den zwanziger Jahren immerhin Autoren wie Max Brod, John Galsworthy, Heinrich Mann, H. G. Wells oder Franz Werf el unter Vertrag hatte, sowie der Ausgleichsantrag des renommierten und ambitionierten Verlegers Christian Brandstätter sind nur die Spitze eines Papierbergs, der die Lager heimischer Verlage füllt. Dieser Widerspruch legt die Vermutung nahe, daß irgendetwas am System nicht stimmen kann.

Ein Problem heißt zweifellos Wirtschaftsmacht Deutschland. Die großen deutschen Verlagskonzerne können österreichischen Publizisten ganz andere Honorare bezahlen als die finanzschwachen Klein-und Mittelverlage hierzulande. Man kann es deshalb keinem Österreicher verübeln, sein Buch einem deutschen Verlag anzubieten. Darüber hinaus gibt es, wie Marcel Reich-Ranicki in seiner Josef stadt-Matinee vor ein paar Wochen sagte, für Deutsche nur gute oder schlechte deutschsprachige Autoren, und dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Schweizer, Österreicher, Ex-DDR-Schriftsteller oder Bundesrepublikaner handelt. Für heimische Autoren ist das ein weiteres Plus, weil sie am deutschen Markt keinerlei Wettbewerbsnachteile haben, sondern damit rechnen können, daß viel mehr Geld für die Verbreitung ihrer Geisteskinder ausgegeben wird. Außerdem sind sie ja auch hier voll präsent, da der österreichische Buchhandel etwa 80 Prozent seines Umsatzes mit deutschen Büchern erzielt.

Wozu also überhaupt österreichische Verlage, ist man geneigt zu fragen. Wer dies ökonomisch zu begründen sucht, wird sehr schnell in Argumentationsnotstand geraten. Es ist wohl eine geistige, eine Frage unserer nationalen Identität. Und dabei spielen die sogenannten Austriaca, die „Fassaden-von-Her-nals-Bücher”, wie Wolf gang Ram-joue\ Generalsekretär des österreichischen Buchhandels, diese Buchsorte in einem Gespräch mit der FURCHE unlängst nannte, nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es um den Stellenwert geistiger Arbeit insgesamt. Wollen wir der Abwanderung unserer besten Köpfe weiterhin Vorschub leisten? Wollen wir nur noch in Deutschland bereits „durchgesetzte” Autoren nachgereicht bekommen? Oder wollen wir doch die in geistiger und materieller Hinsicht erst langfristig gewinnbringende Investition in unsere Zukunft wagen und unser kreatives Potential, unsere Minderheiten im Land behalten und eine lebendige Kulturszene, die wir uns in anderen Sparten etliche Millionen kosten lassen, aufrecht erhalten?

Freilich, bibliophile Verleger ä la Brandstätter hätten auch in Deutschland kein leichtes Leben. Dort haben vielfach „Product manager” deren Schreibtische übernommen. Der Unterschied besteht nur darin, daß sich selbst deutsche Verlagskonzerne mittlerweile aus Image-Gründen gerne anspruchsvolle Abteilungen halten, die im besten Fall kostendeckend, kaum aber gewinnbringend sind.

Bleibt die Frage, ob es besser ist, von einer privaten Firma oder von staatlichen Subventionen abhängig zu sein. Vielleicht sollte man einen typisch österreichischen Kompromiß anstreben und die ARGE Privatverlage zu einer Art österreichischem Verlagskonzern ausbauen, der mit staatlicher Unterstützung rechnen kann. Dazu wäre es allerdings notwendig, daß sich die „extremen Individualisten”, wie Christian Brandstätter die jeden Lobbyismus scheuenden österreichischen Verleger gegenüber der FURCHE bezeichnete, an einen Tisch setzten und Auswege aus der Krise suchten. Denn laut Wolf gang Ram-joue steht die EG ante portas. Wenn bis zum österreichischen Beitritt nichts geschieht, dann war der Fall Brandstätter nur ein Vorspiel zur österreichischen Kulturhölle.

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